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Imri, der Älteste der Bürger * /* J v- v AsDiELECH, der Oberste der Kriegsknechte . ^ - ' Hananja, der Prophet des Volkes Schwertträger, Krieger, Knechte Jeremias Seine Mutier JocHEBED, eine Anverwandte AcHAB, der Diener B-^RUCH, ein Jüngling Sebulon, sein Vater Zephanja , Das Volk von Jerusalem Die Gesandten Nabukadnezars Chaldäische und ägyptische Krieger Der Schauplatz des Gedichts ist Jerusalem zur Zeit seines Untergangs. ivi320317 DAS ERSTE BILD DIE ERWECKUNG DES PROPHETEN ,,Rufe mir, so will ich dir antworten und dir anzeigen große und gewaltige Dinge, die du nicht weißt/' Jer. XXX, 3. Das flache Dach auf iim Harne Jis Jenmias^ Wiißffquadtrt und blinkend im matten Mond, In der Tiefe mit Türmen mid Zinnen^ mit Schlaf und Stilh Jerusalem, Plct:(licby polternd und hastige die Treppe empor : Jeremias im losen Kleid y die Brust offen^ wie ein Gewürgter, Jeremias: Die Tore rammelt 2u... die Riegel vor... Zum Wall... zum Wallel... Sie kommen..» sie sind da... 2u HU- fel... Die Mauer fällt, die Mauer... Jbremias (ist bis ^um Bande des Daches vor ff stürmt und hält plötzlich inne. Sein Schrei prallt geffn die weiße Stille, Er schrickt V^usammen^ Erwachen kommt über ihn. Seine Arme^ die schreck- haft gesprers^en^ brechen langsam nieder ^ müde streift die Hand über die offenen Lider) \ Wahnl Wieder Trug und Traum, der fürchterliche! Oh, Träume, Träume, wie voll ist ihrer das Haus! (Er beugt sich über den Rand der Mauer und blickt hinab :) Friedlich die Stadt, friedlich das Land. Nur ich, ich brenne, Nacht um Nacht, stürz hin mit allen Türmen, fliehe Flucht, nur ich, nur ich, zerwühlt die Eingeweide, fahr taumelnd hoch vom heißen Bett zum Mond, daß er mich kühle! Und immer gleich der Traum, Nacht, Nacht und Nacht, der gleiche Schrecken sich im Fleische bäumend, der gleiche Traum zu gleicher Qual entbrennend! Wer tat dies in mein Blut, dies Gift der Träume, wer, wer jagt mich so, und wem, wem wache ich? Wer bist du. Unsichtbares, das vom Dunkel zielt auf mich mit Pfeilen des Entsetzens, wer bist du, Schrecknis, die mich nachts beschläft, daß ich dein schwan- ger ward und mich krümme in den Wehen? (Er horcht in die Stille hinein. Immer fiehrigtr,) Ohy Schweigen, Schweigen, immer Schweigen und innen Aufruhr noch und aufgewühlte Nacht Mit heißen Fängen krallt sichs ein in mich imd kann sie doch nicht fassen, mit Bildern geißelts mich und weiß nicht, wer mich treibet, in leere Luft hinfallen meine Schreie! Wohin, wohin entflielin? Oh, wirr Geheinmis dieser Jagd, der ich erliege, und weiß nicht, wessen Ziel und wem 2ur Beutel Tu auf dich, Net2 und Wirrnis, den Sinn sag dieser Qual, den Sinn, den SinnI Eine SnMiiE (sie scheint am Tiefen oder Höhen z^u kommen) : JeremiasI Jeremias (wie von Steinwurf getroffen) \ Wer?... mein Name... war dies mein Name nicht... (Er horcht hinaus. Alles wieder stumm.) Jeremias: Bist du es. Unsichtbarer, der mich jagt und plaget... bin ich es selbst, tönt mein hinstürmend Blut... noch einmal sprich, daß ich dich kenne, Stimme... noch einmal ruf mich an... noch einmal, einmal sprich... Die Stimme (näher tastend) : JeremiasI Jeremias (^zerschmettert in die Knie stun(end)\ Hier bin ich, Herr! Es hört dein Knecht! (Er kmscbt atemlos. Nichts reg sich ringsum.) Jeremias (erhebend vor Leidenschaft) : Sprich, Herr, zu deinem Knecht! Du riefest meinen Namen, so gib die Botschaft auch, auf daß mein Sinn sie fasse. Die Stimme (naher ^ eindringlicher) : JeremiasI Jeremias (entbrennend) x Ich höre, Herr, ich höre! Mit meiner ganzen Seele horche ich dir zu! Aufgetan sind die Quellen meines Bluts, ausgereckt jede Faser meines Leibs, dich zu fassen, dein bin idb mit dem Fleisch und dem Inwendigen meiner Seele! Die Stimme der Mutter (nun schon gans^ nahe und kenntlich) : JeremiasI Jeremias (in Ekstase) : Brich ein in mich, Herr, mein Herz birst vom Schauer deiner Nähe schon! Schütte dich aus, 8 i selig Gewitter I Wirf dein Joch über mich, siehe gebeuget ist mein Nacken schon, - dein bin ich, dein für immerdar* Nor erkenne mich, Herr, wie ich dich erkenne, den Weg nur weise deines Willens, Herr, weise ihn, weise ihn deinem ewigen Knecht! I>iB Mutter (ist smbtnd die Treppi emporffsti^en. Ihr Bück in ängstlicher Sorff^ ihre Stimme voll ZärtUcbkiit) \ Oh, hier... hier bist du, mein Kind. Jeremias (auffahrend van den Knien, voll Schreck nnd Inffimm) : Weg... fort... oh, verloschen die Stimme... Die Mutter: Weh... wie du hier stehest im dünnen Gewand am Kalten der Mauer... komm hinab, mein Kind... Jereioas (voll Wildnis) : Was folgst du mir, was verfolgt du michl Oh, Jagd ohne Ende, umstellt von Stirn und Rücken, in Wachen und Schlaf... Die Mutter: Jeremias, wie faß ich dich? Ich lag unten im Schlafe, da war mir, ab hörte ich Zwiesprach vom Dache und Rede und Wort... Jeremias (auf sie z^u) : Du hörtest... Du auch... um der ewigen Wahrheit willen... Du hörtest Ihn reden, vernähmest den Ruf... Die Mutter: Wen meintest... keinen seh ich mit dir... Jeremias (sie fassend) \ Mutter... ich beschwöre dich, sprich mir... Tod oder Seligkeit trägt mir dein Wort... Du hörtest eine Stimme... Die Mutter: Eine Stimme hört ich vom Dache und tastete, daß ich dich weckte. Doch kalt war das Linnen, leer lag dein Lager. Da fiel Angst über mich, und ich rief deinen Na- men. •• Jeremias (erschwankend) i Du riefest... Du riefest meinen Namen... Dm Mutter: Dreimal rief ich dich an... Jeremias (mit brechender Stimme): Zemichtung und Hohnl Oh, Trügnis überall, außen und innen. In Angst schrie eine 2u mir, und mein Grauen vermeinte den Gott... Die Mutter: Wie bist du sonderlich! Kein Unrecht glaubt ich 2u tun. Und stieg, da keiner Antwort gab, selbstens empor» ob hier einer wäre. Doch keiner war hier. Jeremias: Oh dochl Ein Rasender, ein Verblendeter... oh Qual und Marter der Träume... Sinn und Widersinn im Betrüge... ich Narr, ich Narr meines Wahns I... Die Mutter: Was redest du... Was ist dir geschehen, mein Kind, was quälet, was sorget dich? Jeremias: Nichts quält mich, Mutter... mich schwülte das Bett... Kühlung kam ich 2u trinken... Die Mutter: Nein, du verschließt dich, du Harter vor mir. Meinst du, ich wisse nicht, wie du umgehst seit Monden Nacht um Nacht; meinest du, ich hörte nicht das Stöhnen deines Schlafs und den Angstschrei deines Schlummers? Oh, offenen Auges hör ich dich im Dimkel, wie du umwander^t ruhlos im Haus, Schritt für Schritt hör ich dich schreiten, und Schritt für Schritt mitwandert mein Herz. Jeremias: Nicht sorge dich, Mutter I Nicht sorge dichl Die Mutter: Wie soll ich deiner nicht sorgen? Bist du denn meiner Tage Tag nicht und meiner Nächte Gebet? Du bist fremd worden deinen Freunden imd abseits der Fröhlichen, den Markt meidest du und der Menschen Haus. In Gedan- ken vergräbst du und des Lebens versäumest du dich. Jere- mias, besinne dich, zum Priester bist du gezogen, dein harret dss Vaters Gewand, daß du lobpreisest den Herrn. Heb auf dein Antlitz in den Tag, es ist Zeit, daß du bauest dein Leben, daß du beginnest dein Werkl eremias: Soll ich bauen ein Haus in den Abgrund und mein Leben in den Tod? Ich sage dir, Mutter, wohl dem, der sein Herz nicht hängt jetzt ans Lebendige, denn wer atmet diesen Tag, trinkt schon von seinem Tod. Die Mutter: Welch ein Wahn ist über dir? Wannen war sanf- ter die Zeit, wann stiller im Frieden dies Land? Jeremias: Nein Mutter, sie sagen Friede und Friede, die To- ren, aber es ist darob kein Friede noch, ufnd sie legen sich nieder und schlafen schon in ihren Tod. Mutter, eine 21eit ist nahe wie keine gewesen je in Israel, und ein Krieg, wie 10 noch keiner über Erden gefahren! Eine Zeit, daß neiden werden die Lebendigen die Toten in der Grube um ihren Frieden und die Schauenden die Blinden um ihr DunkeL Noch ist es nicht sichtig den Toren, noch ist es nicht offen- bar den Träumern, doch ich, ich hab es geschauet Nacht um Nacht. Immer höher brennet der Brand, immer näher nahet der Feind, er ist da, der Tag des Getümmels und der 2^ertre- tung, schon steiget des Krieges rot Gestirn aus der Nacht. Ddb Mutter: Entsetzen... wie wüßtest du's?... \ Jeremias : Ein Wort, ein heimlich Wort ist über mich kommen. Da ich Gesichte beschaute des Nachts . ^ ^ j / , ^ Und irrging in Träumen. '^ ^^ ;^,^^ Furcht und Bangnis fiel über mich. Meine Gebeine erbebten wie eine Klapper, Und gleich rissiger Mauer Einstürzte mein Herz. - Mutter, Ich habe Dinge gesehen. Wenn die stünden geschrieben. Würde starren der Menschen Haar Und der Schlaf fallen wie Asche ^ Von ihrem Gesicht. a Die Mutter: Jeremias... was ist über dich... ' . Jeremias: Das Ende nahet, ^las Ende, "*" Es fahret aus Dräuend von Mitternacht, Feuer sein Wagen, Würgung sein Flugl Schon rauschen Schrecknis die heiligen Himmel, Schon bebt die Erde von Donner und Huf. Die Mutter (im Entsetr(en) : Jeremias I Jeremias (sie anfassend^ lauschend) : Hörst du... hörest du nicht, *r- i^^^-^^ ^ es rauschet, es rauschet schon nah... z^^^-' Die Mutter: Nkllfii^^^^*''^^ Es morgent. Hirtenflöten wach- "t* ten im Tal, und ein klein Wind umspielet das Dach. Jeremias: Ein klein Wind? / 11 ! Wehe, wcbel Gewaltigen Rauschens l Wächst er empor ^' Schrecknis schwingt(ery Über die Stadt. Mutter I Mutter I Hörst du es nicht: < Schwert klirrt im Wind, - Räder rollt die rauschende Welle, ' Lanze blinkt und Piamisch die Nacht. ^ Krieger und Krieger, unendliche Scharen Schüttet der Sturmwind über das Land. Die Mütter: Wahnwitz von Träumenl Wirrnis und Trug! Jeremias: Es nahet, es nahet. Fremd Volk, Mächtig und alt ^ Aus dem Osten der Erde, ^ IDnäcffiaie Kffle ""^ -^ Rauschen sie an. Wie Blitz fliegen weit ihre windigen Pfeile Ihre Rosse sind alle mit Eile behufet, Ihre Wagen starr wie die Felsen geschient. Und inmitten aus&hret Der Zwingherr der Völker, Der König, der König von Mitternacht. Die Mutter: Der König von Mittemacht... Du träumest... der König von Mitternacht. Jeremias: Den Er erweckte. Als harten Vollstrecker Härtesten Spruchs, Daß er Strieme das Volk um all seiner Fehle, Daß er mahle die Mauer und berste die Türme, Daß er tilge die Stadt und den Tempel von Erden Und pflüge die Straßen Jerusalems. Die Mutter: Irrwitz und Freveil Ewig währet Jerusalem! Jeremias: Es fällt I Was Gott berennet, 12 Hat nicht Bcstandl Von unten her Werden dorren seine Wurzeln, Und von oben her Geschnitten seine Frucht I Mit der Axt und dem Brande Wird der Reisige roden Israels Forst und Zions GefikL Dk Mutter (attsbrecbind) : Es ist nicht wahrl Du lügstl Du lügstl Nie wird ein Feind diese Stadt umwallen. Nie Zion zittern, nie Davids Burg figdlenl Und wenn der Feind von den Enden der Erde kam. Ewig werden die ragenden Mauern, Ewig die Herzen Israels dauern. Ewig währet Jerusalem I Jeremias: Es stürzeti Gebrochen ist der Stab und gezeichnet die Stundel Das Ende nahet, Israels Endel Die Mutter: Gottesleugner Gottesleugner! Des Herrn Er- wählte sind wir und werden dauern über die Zeitenl Nie vergehet Jerusalem I Jereioas: Ich habe es geschauet in meinen Träumen, offenbar ward es meinen Gesichtenl Die Mutter: Frevler, wer so träumet, imd Frevler siebenfsuJi, wer glaubt solchen Träumen! Jeremias, besinne dich: eines Gesalbten Sohn bist du und geweiht, daß deine Stinmie lob- singe dem Herrn, daß sie mit Mut fülle der Verstöreten Sinn! Jeremias: Wie kann ichs, wie kann ichs! Selbst bin ich der Verstörteste aller! Laß ab von mir, Mutter, laß ab! Die Mutter: Ich lasse nicht dein imd nicht deine Seele dem Zweifel Jeremias, mein einzig Kind, höre mich an! Gehei- mes künde ich dir zum erstenmal, daß erwache dein Herz. Auch ich war eine Verzagete einst, denn zehen Jahre ver- schloß der Herr meinen Schoß. Spott ward ich den Ge- fflbitjnn^ und der Kebsen Gelächter. Zehen Jahre trug ich 13 es duldend und 2agete schon, aber im elften entbrannte mein Her2 und ich ging in Gottes Haus daß Er Frucht schenke meinem Schoß. Jeremias: Zum erstenmal kündest du dies... 2um erstentnaL Die Mutter: Und ich warf mich 2ur Erde imd gelobete: so ein Sohn mir geschenkt sei, ihn zu weihen dem Herrn. Ich gelobete zu schweigen und kein Wort zu tun vom Munde in meiner schweren Zeit, daß ihm dereinst der Rede Fülle sei, zu lobpreisen den Gott. Jeremias : Mich gelobet . . . Mutter I . . . auch du . . . auch du . . . Die Mutter: Selbigen Tages erkannte dein Vater mich, und ich ward dein gesegnet. Jeremias, höre, Jeremias, neun Monde begrub ich getreu die Stimme in meinem Leibe, daß dir alle Fülle des Wortes sei, daß du Lobkünder werdest des ewigen Gottes 1 Jeremias, nun weißt du: zum Priester bist du geweiht von Anbeginn und zum Lobkünder des Herrn. Zerreiß deiner Träume Netz und tritt in den Tag. Jeremias : Oh, zwiefach Gelöbnis, Mutter, oh, zwiefach Zeug- nis dieser Nacht. Zum andern Male hast du mich erwecket dem Leben, ein Wissender bin ich worden an deinem Wort, denn wundersam: ich schrie auf meine Frage zu Gott, imd er entsandte dich mir zur Redel Oh Geheimnis dieses Wegs, o trefflicher Jäger, der nicht fehlet I Nun weiß ich, wer ge- schlagen an meines Schlafes Wand, nun weiß ich, wer mich gefordert... Die Mutter : Was ward dir 1 Wie eines Tnmkenen gehet deine Rede. . . Jeremias: Ja, tnmken bin ich nun der Gewißheit seines Wil- lens und so voll der Rede, daß mich der Odem in meinem Innern ängstet. Die Siegel sind gebrochen meines Mimdes, und mir brennet die Lippe der Verkündung... Die Mutter: So tritt hin in sein Haus, daß du ihm opferst, der dich erweckte, daß du lobpreisest seinen Namen 1 Jeremias: Nein, Mutter, nicht Opferers Dienst hab ich ge- nommen - selbst will ich das Opfer sein. Ihm bluten entge- gen meine Adern, ihm brennet mein Fleisch, ihm flammet 14 meine Seele. Ich will ihm dienen, wie keiner gedient, seine Wege sind meine Wege nunab. Oh, siehe, schon morgets im Tale, und auch in mir war es Tag aus den Dunkelheiten I Oh, Wagen Klias, auffüirend im Feuer, reiß mit meine Rede, daß sie niederstürze wie Donner in der Menschen Tag! We- he, mir brennet die Lippe schon, fort, ich muß fort... DiB Mutter: Wohin willst du vor Tag? Jbremias: Ich weiß nicht, Gott weiß es. Die Mutter: Doch sage, was planest du? Jeremias: Ich weiß nicht, ich weiß nicht! Sein ist mein Herz, sein ist die Tat! Die Mutter : Jeremias, ich lasse dich nicht, du schwörest mir denn, daß du verschweigst deine Träume... Jeremias: Ich schwöre nicht I Ihm allein bin ich verschworen I Die Mutter:... daß du nicht kündest Schrecknis vor dem Volke. jERmoAs: Sein ist die Verkündung, mein nur die Lippel Die Mütter: Wehe, du fliehest mein Wort! So höre und wisse: Wer nicht glaubet an Zion, ist nicht mehr mein Sohn] Jeremias: Sein bin ich allein, der mich eintat deinem Leibe. Die Mütter: So weichest du? Aber höre vordem noch: Ich fluche aus meiner Seele Kraft dem, der Schrecknis wirft über Israel, ich fluche... Jeremias (schauernd): Nicht fluche, Mutter, nicht fluche I Die Mütter: Ich fluche dem, der Sturz sagt den Mauern, ich fluche dem, der Tod schreit über Israel. Jeremias: Nicht Fluch sprich... Mutter... vielleicht stößt Er mich unter ihn... Die Mütter: Ich fluche dem Zweifler, der mehr vertrauet den Träumen denn Gottes Barmherzigkeit I Ich verfluche den Leugner Gottes, und wäre es mein Kindl Zum letztenmal, Jeremias... wähle! Jeremias: Ich... geh... meinen Weg... (Er he^nnt mit schwe- rem Schritt :(ur Treppe v^u treten,) Die Mutter: Jeremias... mein einzig Kind bist du und meines 15 Alters Trost... entweiche meinem Fluch... denn Gott wird ihn erhören, wie er erhckte mein Gelöbnis. Jeremias: Auch ich bin ihm gelobet, Mutter, auch mich hat er erhört. Lebe wohll (Er scbniUt dU ersU Stuft hinab.) Die Mutter (oM/scbniend): Jeremias I Über mich geht dein Schritt I Du zertrittst mir das Herzl Jeremias: Ich weiß die Straße nicht, die ich schreite... ich fühl die Steine nicht, die ich trete... ich fühl einen Ruf nur... einen Ruf, der mich rufet... und ich folge dem Ruf... (Er steig langsam die Stufen nieder.) Die Mutter (:(ur Treppe binstur(end^ in Ver(meißung) : Jcrc- miasl... Jeremiasl... Jeremiasl... (Keine Aßttwort. Der Schrei verballt z^ Klaff und scbminp aU- mäblicb gan^ ins Sfbweigen z(uruck. Einsam stebt die einstürmend» Gestalt der Mutter vor dem boben Himmel^ über den sieb traffscbe Morgenröte wie ein Sebein von Feuer und Blut mäblieb v^u verbreiten begnnt.) 16 DAS ZWEITE BILD DIE WARNUNG „Die Propheten, die vor mir gewesen sind von alters her, haben wider viel Länder geweissaget von Krieg, von Unglück und Pestilenz; wenn aber ein Prophet von Frieden weis- sagt, den wird man keimen, ob Um der Herr wahrhaftig gesandt hat, wenn sein Wort erfüllet wird." Jer. XVIII, 8/9. Der ^ße Platv^ von Jerusalem^ mii vhhn Stufen at^steigmd in den Säukmforbof der Burg^ rechts :(nm kSmgücben Palaste $md mittseits !(nm anschließenden Tempel Auf der andern Seite Hätiser tmd Gassen. Vor der Säulenhalle des Palastes^ a$rf der Straße tmd die Stufen empor wirr dureheinandergedrängf das Volk von Jerusalem^ eine far- bige y erregte Masse einhelliger Erwartung. Die Menff hat viele Stirn- meny Me in den Augenblickin des Geschehens oft in einen eim(iffn Schrei v^usammenfließen, Stimmen: Vom Tore Moria konm:ien sie... hier müssen sie vorbei... sie gehen zum Palast... laßt die Gasse frei... Raum für die Ägypter... Eine Stimme: Sie sagen, auch eine Tochter Pharaos reise mit i hnen, daß sie Zedekia vermählt werde. Ist es wahr, Isaschar? Isaschar: Es ist wahr. Eine Tochter Pharaos geleiten sie. Die Schönste ist sie seiner Töchter, und er hat sie Zedekia ge- wählt. Stimmen: Ruhm Pharao... Heil Zedekia... Bin alter Mann: Unheil kam von je über Israel von den fremden Weibern der Könige... Stimmen: Ja, sie wenden den Sixm der Gerechten... fort mit ihnen... was schmähst du Ägypten... ja, was wollen sie... was bedeutet die Sendung... seit wann ist Freundschaft zwischen Ag3rpten und Israel... was wollen sie? 2 17 Eine Stimme: Ein Bündnis bietet Pharao Necho wider Nabu- kadnezar. Stimmen: Kein Bündnis mit Ägypten... kein Bündnis mit Mizraim... wider wen ist das Bündnis... Isaschar: Warum kein Bündnis mit ihnen? Mächtig sind sie, und vereint wären wir stark wider unsem Unterdrücker. Der Alte: Kein Bündnis mit Ägypten! Unser Kampf ist nicht der ihrel Isaschar: Unsere Not ist die ihre, sie wollen nicht Knechte sein der Chaldäerl Stimmen: Wir auch nicht... wir auch nicht... nieder mit Assur... zerbrechen wir das Joch... hüten wir uns... Baruch (einjiinglingy ikstatiscb) : In Ketten gehen unsere Tage und mit güldenen Schäkeln unsere Boten allneumonds gen BabeL Wie lange wollen wir es dulden noch? .Sebulon (der Vater Barucbs): Schweige... nicht dein ist die Rede... eine linde Knechtschaft ist Chaldäas Joch... Stimmen: Aber wir wollen nicht länger Knechte sein... die Stunde der Freiheit ist gekommen... nieder mit Assur... verbinden wit uns Ägypten... Andere Stimmen (von der Tiefe der Gasse her) : Sie kommen! Sie kommen! (Die Menge umdrängt mit frenetischen Jubelrufen den Zug der Ägypter.) (Die Ägypter^ reich geschmückt y schreiten stok^ $md ernst durcb die Reihen), (Hinter ihnen strömt der Schwall des Volkes in den Palast. A»- dere Schwärme verlaufen sich in den Gassen. Es bleiben ascf den Stufen n$tr eim(elne kleine Gruppen älterer Leute v^urOck.) Baruch: Ich muß mit ihnen. Sebulon: Du bleibst! Baruch: Wie sie jubeln! Laß mich mit ihnen sein, mein Vater, daß ichs erlebe. Sebulon: Oft und oft noch wirst du*s erleben. Denn immer jubelt das Volk 2u den lauten Worten, immer läuft es hinter dem Gepränge. 18 Ein Andeker: Was yrcrwdgcai da ihm e ich, auch sie ist Gottes, und er hat sie mir 2x1 eigen g^d>en. Barucih: ^Gdlts ist uns za eigen gegeben^ Leben ist alles vom lebendigen Gotte, daß wir es wiedergeben an ihn auf seinen Rii£ Und sein Ruf ist ersdioUen, oh, daß wir ihn hörten! Oh, wo sind die Künder der Worte? Wo sind die Priester, wo sind die Propheten? Was sdiweigt ihre Stimme in dieser Stande 2x1 Jerusalem? Summen: Ja... die Prc^beten... wo sind sie, die Priester... sie versäumen die Stunde... wo ist Uuian|a... Baruch: Zum Tenq^el empört Nichts ohne Gottes WortI Sie mögen entscheiden, die Gottesmännerl (Einigt sind die Stt^iM bimmfg^eHt tmi ubk^fm tm Ji$ in^m Tür.) Dns Menos: Hananfa... wo ist unser Prophet... Gott fordert ihn... Hananja... Hananja... (Hananja tritt aus der Tür des Tempels. - Die Menge hricbt bei seinem Anblick in wilde Jnbeknfe ans.) Baruch (v^ ihm empor) : Hananja, Gottes Gesandter, siehe dein Volk dürstet nach deiner Rede! Gieß aus die Welle deines Wortes über sie, daß Kraft ihnen entbrande. In deinen Händen liegt Jerusalems Schicksal! Die Menge: Die Verheißung verkünde... Gottes Wille laß uns wissen«. • belehre dein Volk, belehre den König... Hananja (ptfr die Schwelle des Tempels tretend^ pathetisch) : Selig deine Frage, selig deine Stimme, selig du selber, Volk von Jerusalem, daß du sie endlich aufhebst 2um Schrei! Denn Schlaf war ge£dlen über dich, ein Ohnmächtiger bist du ge- legen in den Sielen der Knechtschaft. Al>er ein Ruf ist ge- gangen an die Schläfer, eine Botschaft an die Verträumten, und ich will sie künden euch Gotterweckten. Die Menge (bricht in fanatische JtAelschreie aus) : Höret ihn!... Erweckte sind wir... wahrlidi, wie im Schlafe sind wir ge- legen... Hananja: Wie lange noch wollet ihr euch gedulden der Taten, da Gott euch erweckte*. • Gott dürstet, denn leer 21 sind seine Krüge, Gott hungert, denn gebrochen sind seine ^ Altäre, Gott friert, denn geraubt ward der Schmuck seiner Fliesen, Gott leidet, denn es spotten sein die Priester Baals und die Knechte der Astarothl So werfet ab das Joch, die Posaune laßt schallen und erklirren das tödliche ErzI Baruch: Töne, oh töne, du Gottesposaune 1 Auf, Israel, au( Jerusalem, brecht Gottes Jochl Hananja: Die Stimme des Herrn erbrauset mir innen, wie ein Meer schäumt sie mir stürmend 2um Munde, und also tönet sie euch 2u: „Erhebe dich, Israel, wappne deine Lenden, fasse froh den Schild und die Speere, denn Assur ist dein Wild und Babel deine Beute. Ich habe dir Pfeile in den Köcher getan, die nicht fehlen, und Lanzen gerüstet, die nicht splittern. So wirf weg, die dir widerraten, tilge aus, die dich zäumen, nicht höre die Schwachmütigen, nur mei- nen Boten erhöre I Höre, Israel, höre auf ihn I..." Jeremias (aus der Menge wild emf schreiend) \ Nicht höret auf ifani Nicht höret auf ihn ^I Nicht höret auf ihnl (Die Menge weicht im Tumult auseinander, Jeremias wird mit- ten in der errepen Masse sichtbar. Er arbeitet sich geg/m die Stufen :(u.) Stimmen: Wer redet... wer ist dieser... was sagt er... Jeremias : Nicht höret ihn, nicht höret denen zu, die euch nach dem Munde reden, nicht lausche, Jerusalem, den Lockpfei- fern des Krieges 1 Pashur (sich aufrichtend) : Wer redet in der Menge? Jeremias (sich vorstoßend) : Es redet die Angst, und es schreit das Bangen um Jerusalem! Stimmen: Wer ist er... ich kenne ihn nicht... es ist keiner von den Propheten... Eine Stimme: Jeremias ist es von den Priestern zu Anathoth. Stimmen: Wer ist Jeremias... wer ist er... was wollen die zu Anathoth in Jerusalem... Pashur (v^ujeremias^ der die Stufen emporgestiegen ist) : Fort von des Tempels Stufen 1 Uns allein ist es, Gottes Wille zu kün- den I 22 Jkrkmtas; Wer ist so vermessen, daß er sich unterfange, ihm allein habe der Herr die Weisheit zugeteilt und das Geheim- nis seines Willensl Nur in Träumen spricht Gott zu den Menschen, und auch mir hat er Träume gesandt. Er hat die Angst in mich eingetan, daß ich sie über euch werfe wie ein brennend Tuch, und ich will sagen meine Angst um Jerusa- lem, ich will schreien meinen Schrei vor dem Volke, ich will künden meine Träume*. • Baeuch: Fort mit den Träumern und Traumdeutem. Wache will die Stunde I Hananja: Ich bin Gottes Prophet und keiner sonst in Israel. Auf mich sollet ihr hören und nicht die Schwätzer der Gasse. Weg die Träumer vom Marktel Baruch: Ein Feigling ist er, entlaufen seinen Ängsten I Stimmen: Wir wollen ihn hören... nein, Hananja rede... er ist vielleicht gesandt vom Herrn... sprich, Jeremias... war- um ihn nicht hören... was hat er geträumt... Jeremias (bat sieb emporgacbwmgin) : Brüder in Israel, Brüder in Jerusalem, einen Sturm hört ich fahren im Traume wider Zion, und Kriegsvolk wider unsere Mauern, und sie warfen nieder das Gebälk und stürzten die Zinnen; so viel Tote sah ich liegen wie Kehricht, daß das Herz sich mir wandte im Leibe und die Siegel meines Mundes aufbrachen im Schlaf. . . Pashur: Wahnwitz schreit von den Stufen des Tempels. Hananja: Fallsucht plaget ihn, und er plaget uns. Baruch: Hinunter mit ihml Stimmen: Nein, die Träume wollen wir hören... was deuten sie... ein Irrwitziger ist er... ein Narr... fort mit ihm... Jeremias : Doch da ich wach auffuhr im Schweiße meines Lei- bes, ihr Brüder, da spottete ich mein, wie diese meiner spot- ten! Deim war nicht Friede im Lande, ihr Brüder, saß die Stille nicht auf den Mauern, und kein Wind rührte sie an? Und ich schämete mich meines Ängstens und ging her zimi Markte, daß ich mich freute des Friedens. Da scholl Jauch- zen her, und das Herz brach mir ein inwendig, denn ein Jauchzen war es zum Kriege« Meine Brüder, da ward bitter 23 wie Galle meme Seele, und das Wort sprang mir 2um Munde wider meinen Willen, denn saget, ihr Brüder: Ist Krieg ein so kostbar Ding, daß ihr ihn lobpreiset? Ich aber sage dir, Volk von Jerusalem, ein bös und bissig Tier ist der Krieg, er frißt das Fleisch von den Starken und saugt das Mark von den Mächtigen. Nicht schläfert ihn ein mehr, der ihn weckte, und wer das Schwert zücket, mag leicht selber darein fallen. Hananja: Für Babel spricht er und BeL Stimmen: Nein... er redet recht... viel Wahres ist an seinem Wort... lasset ihn ausreden... Jeremias: Was wecket ihr auf das reißende Tier mit eurem Gejauchze, was rufet ihr zum Kriege, Männer Jerusalems? Habet ihr dem Mord eure Söhne gezeuget und der Schande eure Töchter? Ward dem Feuer eure Hausung gebaut und dem Prellbock die Mauer? Ist denn so hart deine Knecht- schaft, ist so brennend dein Leiden? Siehe, siehe um dich: es ist Gottes Sonne über dem Lande, und eure Weinstöcke blühen in Frieden. Das Feuer hat seinen Ort und das Wasser seine Stätte, die Speicher ihre Fülle und Gott sein geräumi- ges Haus. Oh, laß es dir genug sein, fdedsam zu wohnen unter Gottes beruhigtem Blick, und halte den Frieden, Volk von Jerusalem, halte den Frieden I Sebulon: Recht redet erl Wie Gold ist seine Redel Pashur: Wie chaldäisch Goldl Stimmen : Ja. . . er ist verkauft. . . nein, recht redet er. . • Friede. . . wir wollen den Frieden... ein Verräter ist er... Baruch (asrf Jeremias eindrtnffnd) : Sprich, stehe Rede, hier vor dem Volke sprich es aus: Sollen wir länger Gold zahlen an Chaldäa? Stimmen: Ja... ja... antworte... rede... Jeremias: Laut spreche ich vor dem Volke: besser den Zins des Goldes zahlen dem Feinde, denn den Zins des Blutes dem Kriege! Hananja: Oh, du Gehorcher und Diener, du Knecht Qial- däas, willst du leugnen die Schrift? Jeremias: Doch es stehet auch geschrieben daselbst: „Wenn 24 ihr stille bleibet» würde euch geholfen, durch Stillesein und Hoffen werdet ihr stark sein.'' Stimmen: Ja, so ist es geschrieben.. • er redet wahr... nein, er drehet es 2u seinem Sinne. Hananja: Unheiligem Krieg ist es gesagt, Zwist der Ge- schlechter Israekl Doch dies ist ein heiliger Krieg, ein Gotteskrieg 1 Jeremias: Abtut Gottes Namen vom Kriege, denn nicht Gott führet Krieg, sondern die Menschen I Heilig ist kein Krieg, heilig ist kein Tod, heilig ist nur das Leben. Baruch: Du lügstl Du lügst I Das Leben ist uns einzig gege- ben, daß wir es hinopfem für Gott und seinen Geist. Nie wird Israel besiegt sein, wenn alle meines Sinnes sindl Hananja: Nie wird es besiegt sein, solang die Sterne vor Gott leuchten, doch in dreien Monden wird Babel in unsere Hand gegeben sein, so wir ausziehen mit Ägypten. StiMMEN (jamk(fnd) : In drei Mon Eh er euch faßt, flüchtet hinaus! Aufl Empor! Brand ist im Land! Feind hat die Stadt! Empor! Empor! Der zweite Krieger (aus dem Dmkel tretend) : Wer lärmt? Er wird die Schlafenden erwecken. Jeremias: Daß ichs vermöchte, oh, daß ichs vermöchte! Der zweite Krieger: Trunken bist du... fort mit dir... geh schlafen... Baruch (sich daspfischen werfend) : Laß ab von ihm! Jeremias : Ich ds^ nicht schlafen! Keiner darf schlafen mehr. Der Wächter bin ich, der Wächter I Weh, wer mirs wehrt! Der zweite Krieger (ihn anfassend) : Ein Mondkranker bist du, daß du dich Wächter nennst. . . ich selbst bin die Wache... fort mit dir... Baruch : Nicht rühr ihn an... den Erwählten des Herrn... den Propheten... Der zweite Krieger (ablassend) : Bist du Hananja, der Got- teskünder? Baruch: Jeremias ist es, der Prophet! Der zweite Krieger: Jeremias, der das Volk verwirrt, der hinschrie in den Gassen, Assur werde obsiegen? Gesegnet 53 meine Faust, daß ich dich fasse, du Krämer des Unglücks... ich will dir Verkündigung geben... Baruch (mit ihm ringend) : Laß ab von ihm... laß ab... Der erste Krieger (berbeistän(fnd): Der König kommt... der König macht die Runde.... schaff weg das Volk... Jersmias: Der König I... Segnung des Herrn... oh, sichtliche Deutung... Gott stößt ihn mir in die Hände... Der erste Krieger: Fort mit euch... fort, ihr Schwätzer... (Jeremias und Baruch werden bastig die Matter hinabgedrängt; sie verschwinden im dmklen Schatten^ aus dem sie asifgestiegen. Die beiden Krieger treten an den Rand der Mauer ^ um dem König und seinem Gefolge Raum ^ geben. Da Zedekia erscheint ^ klirren sie Vium Gruße mit den Speeren an die Schilde und stehen dann wieder regfmgshs. Der König Zedekia erscheint^ begleitet von Abimelech und einigen seines Gefolges ^ auf seinem Rundweg um die Mauern. Er ist ungerOstet und barhäuptig, im weißen Mondlicht sieht sein Antlitv^ bleich imd ernst aus. Er bleibt stehen und blickt lange asff das fabldämmemde Blachfeld hinaus.) Der König Zedekia (i:^u Abimelech) : Auf wieviel schätzest du ihre Scharen, Abimelech? Abimelech: Zelt reiht sich an Zelt, schwer wie die Sterne sind sie zu zählen. Die Boten nannten ihrer hunderttausend, doch man soll den Worten nicht trauen. Zedekia: Wahr sprichst du, Abimelech, allzu wahr. Man soll den Worten nidit trauen. Wo sind die Wahrsager, die mir rieten, wo Pharaos Heer und die Hilfe Mizraims? Nun sind wir allein wider die Heere Chaldäas. Abimelech: Ich schwöre auf Israels Sieg, mein König, und Tat bekräfte meinen Eid. Zedekia: Auch ich habe einen Eid geschworen Nabukadne- zarn, und man entwand mir das Wort. Das Schicksal zer- bricht die Eide und Gott die Worte der Menschen. Dort unten im Duxikel ruht er, dem ich Friede zusprach, und nun ist Krieg. Fluch über sie alle, die an mir zerrten, daß ich diesen Weg ging wider ihn, und weh über mich, daß ich 54 nicht stark ward, ihnen zu wehrenl Ich will beten zu Gott» daß er diese Zeit von uns nehme, denn mein Herz vermag nicht sie zu tragen und dürstet nach Frieden 1 Abtmf.t.f.ch : Den Sieg erst, mein König, und dann den Frieden. Zedekia (siebt lange bitums in die Feme) : Wie weit hinein ins Land die Lagerfeuer dort brennen, es ist, als sei ein Himmel schwarz hingesunken auf die Erde und leuchtete nun Stern an Stern. Und morgen wird all dies aufstehen wie die Halme nach dem Regen und die Stille gellen von Schrei und Tod. Es ist die letzte Nacht und des Schlafes vielleicht für immerdar. Abtmkt.fch: Laß dein Herz nicht verdüstern, mein König. Auf diesem steinernen Gelände, da du stehest in Sorge, stand Hosea, dein Oheim, einst, und auch seine Seele war Sorgen voll. Schon einmal umspülte Assurs Woge die hei- lige Stadt. Doch der Herr reckte aus seinen Arm wider sie, und die Pest fraß ihre Völker. Nie bricht diese Mauer I Ewig währet Jerusalem 1 Die Andern: Ewig währet Jerusalem 1 Die Stimme Jeremias* (am dem Dunkel) : Wache auf, verlo- rene Stadt, daß du dich rettest ! Wachet auf aus eurem harten Schlaf, ihr Arglosen, daß ihr nicht geschlachtet werdet im Schlummer, wachet auf, denn schon bröckelt die Mauer und will euch erschlagen... Zedekia (v^tuammenfabrend) : Wer spricht? Wer spricht? Die Stimme Jeremias': Wachet auf, um zu fliehen, wachet auf, euch zu retten, denn er ist gekommen, der Würger eurer Söhne. Wachet auf I Wachet auf! Zedekia (v^usammenscbreckend und sieb scbließlicb stark aufraf- fend) : Wer spricht da? Wer redet da? Der erste Krieger: Ein Wahnwitziger ist es, Herr, der Mond hat ihn verwirrt. Zedekia: Nein... bring ihn vor... ich will sehen, daß ein Lebendiger solches sprach... denn zu furchtbar klang diese Stimme... mir war, als schrien Klage die Steine Jerusalems, als entbebte der Mauer das Wort... (Die beiden Krieger eilen binah.) 55 Abiiiblech: Nicht laß dich verwirren, Herr... viele sind ge- kauft in der Stadt von chaldäischem Gold... Andere : Nicht höre ihn an. . . laß von der Mauer ihn werfen. . . Nicht mit den Verängstigten sprich... Jeremias und Barucb w$rden von den beiden Kriegern beraufgh- bolt^Jeremias vor den König gsstoßen.) Der zweite Krieger: Dieser ist es» der so lästerlich redete. Schon vordem habe ich ihn belauscht. Zedekia: Sie sagen von einem, der umginge in der Stadt und Unheil kündete vor den Leuten. Ist es dieser? Stimmen: Er ist es... Jeremias... Fluch über ihn... Unheil sprengt er aus... er vergiftet die Herzen... ein Lügner ist er... 21edekia: Schweigt... Tritt heran zu mir, Jeremias... Bist du es, der Israel verwirrt? Jeremias: Von Israel geht Wirrnis aus, nicht von mir. 21edekia: Ich kenne deine Stinmie... ich muß sie gehört ha- ben... und doch blickte ich dich nie. Oder... Warst du es nicht, der damals um Frieden schrie vor dem Palast... Jeremias: Ich war es, Herr! 21edekia: Du warst es, Jeremias? Viele schrien um mich zu jener Stunde, doch als ich heimging des Nachts, da war dein Ruf noch wach in meinem Herzen. Jeremias: Gott wollte, daß du ihn hörtest, und weh dir, daß du ihn wegwarfst, denn es wäre Schlaf jetzt auf deinen Li- dern und ein Friede in Israel. Die Andern: Nicht höre auf ihn, König... er frevelt mit Gottes Wort... 21edekia: Ruhe um michl Meine Seele ist so schwach nicht gemauert, daß ein Schwätzer sie werfe. Jerenüas, tritt her zu mir und sei ohne Scheu. Ich habe das Wort vernommen, und dies Wort klang mir zu, denn ein Gotteswort ist das Friedenswort. Doch vergangen ist das Vergangene. Nun brennt Krieg zwischen Assur und Israel. Ich kann ihn nicht niedertreten mit dem Willen... Jeremias: Du kannst es, Herr. Zedekia: Kann ich sie fortblasen mit meinem Hauch, kann 56 ich austilgen das Vergangene? Zu spät ist es für den Frieden« Jeremias: Es ist nie zu spät. Zedekia (noch Viomiffr) : Wie ein ELofiltiger redest du. Noch ward Assur nicht geschlagen von Israel und nicht Israel von Assur. Wie kann ich enden, was nicht begonnen? Jeremias: Das Blut ist ein Graben zwischen den Völkern. So tiefer du ihn adehest, so schwerer wirst du ihn dämmen. Darum laß sprechen die Worte vor dem Schwert, geh hin zum König oder sende ihm Botschaftl Zedekia: Warum ich ihm, warum ich als der erste? Bin ich sein Knecht denn, bin ich der Besiegte schon? Jeremias: Es muß' einer den Frieden beginnen, wie einer den Krieg. Zedekia: Warum soll ich es sein, der als der erste spricht, warum ich und er nicht? Soll er meinen, daß ich verzagte? Die Kinder würden meiner spotten und die Weiber lachen meiner Schmach. Jeremias: Besser, der Narren Gelächter hinter dir als der Witwen Klage. Nicht deiner gedenke jetzt, sondern des Volkes, dem du gesetzt bist von heiliger Hand. Du hast dich erhoben wider Assur, so beuge dich vor ihml Zedekia: Ich mich beugen? Jeremias: Beuge dich, beuge dich. Gesalbter des Herrn, um Jerusalems willenl Tu auf die Tore, tu auf ihm dein Herz, denn besser du beugest dich, denn daß Israel gebeuget werde. Zedekia: In Spott willst du mich stoßen, du Rasender 1 Aber ich steh aufrecht und halte mein Erbel Lieber Sterben als Gnade erbitten, lieber Vernichtung denn diese Demut I Ich beuge mich nicht, keinem auf Erden beuge ich mich! Jeremias (von den Knien sieb ffmdtig atißebend) i Dann Fluch dem Ol, das dir salbte die Stirn; Fluch dir, Davids Sohn, daß du nur deinen Hochmut schützest, dein irdisch Teil, statt daß du wahrest Jerusalem, dein GottesteiL In deine Hände war Zion gegeben, und du ließest es &llen, dir war es vertraut, und du hast es verschleudert! Mögest du darum 57 vergessen werden von Gottes Gnade, wie du vergaßest Jerusalem I Abimelech: Die Mauer hinab I Zerbrecht ihm den Nacken! Die Andern: Er hat den König gelästert... sperrt ihm das Schandmaul... die Mauer hinab... (Die Begleiter des Königs dringen gewaltsam asrf Jeremias ein.) Zedekia (der wie vor unsichtbarem Anprall v(urückgejahren ist, die Hand am Hervyn, sich wieder ermannend) : Laßt ab von ihm! Meint ihr, eines Narren Fluch nlachte mich blassen, ein frech Wort knickte schon meine Kraft? (Nach einer Pause :) Aber dies sehe ich: wahr ist, was sie sagten im Volke: ge- fährlich ist dieses Menschen Wort. Wie ein Sturmbock stößt er wider die Herzen. Es geht nicht an, daß solch ein Gottesleugner langer frei rede im Volke und seine Angst auf die Krieger &lle. Abimelech: Töten muß man ihn. Wer nicht Gott vertraut, ist unwert des Lebens. Zedekia: Soll ich töten den, der mich schmähte, daß man meine, ich fürchte sein Wort? Nicht so! Tritt her, Jeremias! Wind ist mir dein Wort, doch noch eiimial frage ich dich um deinetwillen: Sagt dir untrüglich dein Herz, daß Tod sei über Zion? Ich frage dich! Antworte frei! Jeremias: Tod steht über Jerusalem, Tod über uns allen. Nur Ergebung kann uns erretten. Zedekia: Dann geh und ergib dich! Als eixiziger aller rette dein Leben! (Jeremias starrt ihn an, ohne ihn v^u verstehen.) Zedekia: So geh doch, flieh fort, Abtrünniger des Glaubens, geh 2u Nabukadnezar, des Sieg du gekündet, und küsse seinen Fuß! Ich aber bleibe in meines Volkes Mitte, denn ich glaube bis 2um letzten Atem meines Leibes: Lüge ist dieses Mannes Rede, und ewig währet Jerusalem! Die Andern (jaucks^end) : Ewig währet Jerusalem! Nie ver- gehet Gottes Haus! Zedekia: So eile! Lauf über 2u Assur, ich hab dirs gewährt! Laß uns unsem Tod und kriech in dein Leben! 58 J rrrmta s : Mcht meines Lebeos trage idi Bangen, sondern für die tausendmaltausend schreiet mein Her2. Ich weiche nichtl Mögen fallen seine Mauern, ich stücse mit dem letzten seiner Steine. Stimmen: Nicht dulde ihn bei den Kri^em... ein Verräter ist er... Verwirrung sprengt er unter die Krieger... jage ihn fort... Zedekia: Dann aber wisse dieses zur Warnung: Schwert liegt fortab auf deinem Wortl So du noch einmal ausschreiest Untergang in diesen Mauern, ist dein Leben verfidlen. (Zu den andern:) Keiner rühre ihn feindlidi an, solange er sich zähmet. Doch schreit er noch einmal Schrecknis über die andern, so £isset ihn, und er büße nach euerm Spruch. (Zu Jertmias:) Hüte dich, hüte ddne Lippe, daß dein Blut nicht springe über siel Uns aber möge Gott schonen, wie idi heute deiner gesdiooet. Jeremias (regfos^ mU wuiAtrtr SHwme)\\^<äBäiXS^^\sä^ ich hüte Jerusalem... Zedekia (wieder an dem Rand der Mamr tretend) : Noch immer ziehen sie her, und wie von Wettern rollts von ihren Wagen und Rossen, es ist kein Ende abzusehen, kein Ende. Wahr- lich, fiuxditbar ist er, der König vcm Mittemadit, furditbar wird es sein, ihm zu b^^nenl Gott sdiütze Jerusaleml (Tief atmumd:) Gott sdiütze Jerusaleml (Zedekia wendet sieb kmgsam^^mm Geben imdsdtrntet die RMode wüter; Abimelecby die anderen scwie die beiden Kriege folgn dem sinnend Hinscbrütenden langsam nacb.) Baruch (ans dem Dnnkel 9orstän(end) : Rasch... eile ihm nadi, daß du ihn zwingest. Jeremias (erwadknd ans seiner Dnmpfldt) : Wen... wen s
e wohl und s^ne micfa, wenn ichs yollbiinge, und fluche mir nicht, so ichs ver- säume... lebe w<^... ld>e wohl... es gilt Jerusalem... (Barucb scbmh^ sich ^r«r Mamr tmi hiffWBt Uwti^Mittirm.) Jeremias: Was wiUst du an der Mauer... Barudi... wohin... Baruch: Deinen W^... lebe w<^... lebe wohl... (Barucb wtrscbmiwitt jtmsuts der Mtamr,) Jeremias (sieb iänr üe Mamr betend) : Baruch, wohin gdiest du... sie werden dich fiissen... Was lassest du mich allein... Der erste Krieger (ist berheigttilt) : Was rufst du da... was schreist du in die Nacht... Jeremias (sich aufricbteMd) : Idi rufe... idi rufe, und doch hört keiner auf mich... Der erste Krieger: Was treibst du noch da? Mir war, ab glitte em Schatten die Mauer hinab. Ist einer mit dir? Jeremias: Keiner ist mit mir... keiner ist mehr mit mir... (Jere miasgibt langsam^ mit scbmtrtm Schritt y Ptm der Matter stadt- Worts hinab. Der Krieffr siebt ihm starr nach^ bis er im Schatten der Master verschwindet^ dornt rafft er sich auf und schreitet im harten Mondlicht schweigend auf und ab. Es istgan^ stiU^ nur sein schwerer Schritt hallt iänr die mandblonken Quodenty und von ferne tönt aus dem Unsichtbaren herankUngmd wieder der Wacbtritf ^^Simson Ober sie^^ ... y^imson Ober sif^ durch die weiße Nacht...) 61 DAS FÜNFTE BILD DIE PRÜFUNG DES PROPHETEN „Doch der Herr wollte ihn mit Leiden zermalmen . ' ' Jes. LIII. Das enge Schlaf gemach der Mutter Jeremiaf in seinem Hause. Die Türen des schmalen Raumes sind mit Vorhängen überhängt ^ ebenso die Fenster^ so daß Licht und alle Laute nur gedämft von außen in die Düsterheit der Stube dringen und kaum mehr als der Umriß der Gestalten und Dinge wahrnehmbar wird. Im Hintergrunde glän:(t weiß aus der Dmkelheit das breite bett artige Pfühl ^ auf dem die alte Frau regungslos liegt. Neben ihr aufrecht stehend Ach ab y der alte Diener. JocHEBED (eine Anverwandte^ hebt vor sichtig den Vorhang des Ein^ ganges): Achab... hör, Achab... Achab: Leise I... Tritt leise heran I Nicht störe ihre Rnhel Jochebed: Wohl dem, der noch ruhen kann, indes die Tore schüttem und die Festen beben der Stadt 1 Achab: Nicht sprich davon, nicht erwähne des Feindes 1 So du sie liebst, schone der Kranken. Jochebed: Wie meinest du? Was soll ich nicht sagen? Achab: Nicht nenn unsere Notl Fremd ist^ihr Jerusalems Schicksal. Jochebed (in höchstem Erstaunen) : Sie weiß es nicht? Sie weiß es nicht? Wunder ist dies und grausam zugleich. Nichts, sagst du, Achab, weiß sie, auch kein Ahnen rührt ihren Sinn ? Achab : Manchmal flog Ahnen sie an, doch traumhaft nur, und mit Worten scheucht ich es fort. Nur gestern, als das Volk schrie bei des ersten Widders Prall, da schreckte sie auf, sie müsse hinaus, sie müsse 2u Walle, Krieg sei im Land, Feind in der Stadt, Zion vergehe, Jerusalem falle. Das Wort sei erfüllt, ihr Sohn, er habe es wahrgesagt, der König sei gekommen, der König von Mitternacht. 63 Jochebed: Wie sondedichl Doch sag: was ists, das sie so verwirrt? Achab: Ihre kranken Sinne suchen den Sohn. Jochebed: Jeremias... sie selbst doch stieß ihn aus dem Haus. Achab: Doch ward keine Stunde ihr seitdem froh. Seit er ging, ist sie wie mit sich selber entzweit. • Jochebed: Ach, wer fiühlt denn noch klar in der Wirrnis der Zeit! (Dit Mutter regt sich seufi^end auf dem Bette,) Jochebed (ihr Erwachen bemerkend^ leise v^u Achab) : Achab... sie regt sich... der Schlaf fällt von ihr ab... noch sind ihre Augen verschlossen, doch ihre Lippen füllt schon das Wort... (Achab eilt hin tmd beugt sich über die Kranke,) Die Mutter (mit geschlossenen Augen^ ihre Stimme ist leise wie femer Gesang) : Sag, ist er gekommen, sag, kam er schon? Oh, wo ist er, wo ist er, mein Sorgensohn? Jochebed (flüsternd) : Wie wunderlich 1 Zum erstenmal denkt sie seiner im Wortl Achab (v^ärtlich sich hinbeugend) : Wie fühlst du, du Liebe? Wie hast du geruht? Die Mutter: Wie kann ich ruhen... wie ruhen in solcher Träume Schrecknis... wo ist er... war er nicht hier... Achab: Wen meinst du, Liebe? Die Mutter: Fort... was ging er fort... was ließest du ihn von mir... hier wsu: er, hier... Achab: Keiner war im Gelaß, denn Jochebed und ich... Die Mutter: Nicht er... nicht er... oh, Traume, wie voll ist von ihnen das Haus... (plötvfich sich aufrichtend y fiebrigen Blicks) \ Was rufst du ihn nicht... er soll kommen... soll kommen... Achab: Wen soll ich rufen? Die Mutter: Was fragt du, was fragt du? Siehst du nicht, Tod kniet auf mir, und du rufst ihn nichtl Achab (beruhigend)*. Du Liebe, gleich ist er bei dir... früh- 64 morgens schon sandte ich die Söhne... er kommt gewiß... Die Mutter (errßgf): Nein... er kommt nicht... träge sind sie, die Knaben, nicht suchen sie ihn... sie streichen die Gassen... oh, eilten sie doch... das Dunkel... das Dunkel... im Blute steigt mirs auf... Achab: Gedulde dich, Liebe, nicht reg dich so wild. Die Mutter: Laß ihn ein... was läßt du ihn warten... hörst du nicht, wie er hämmert am Tor... an den Schläfen fühle ichs schon... auf... tu ihm auf... Achab: Noch ist er nicht hier, Liebe, doch er 2ögert nicht lang... Jochebed: Gleich wird er kommen... gedulde dich... Die Mutter: Nein, nein, er ist da... was haltet ihr ihn von mir... ich habe nicht 2^t... kalt rinnts mir die Glieder her- auf... oh, kalt... wie Stein meine Beine... es will... es will... (Jeremias ist leise v^ur Türe einfftreten und bleibt Viogemd dort stehen^ seine Hände sind verkrampft^ sein Haupt wie von unge- heurer Last gebeugt,) Achab: Nicht raff dich so auf... bette dich hin... er wird... A.cbab bemerkt JeremiaSy er hält erschrocken inne; auch Jochebed schweigt voll starrer Erg/iffenheit. Eine steinerne Stille steht plöt^^lich im dunklen Raum.) Die Mutter (sich mühsam aufrichtend)*. Was schweigt ihr plötzlich mit einemmal... was schweigt ihr so? (Plöt^^lich mit einem Juhella$it :) Ist er gekc^imien. .. ist er da, mein Kind, mein Sohn... mein Jeremia... oh, daß meine Sinne so dun- kel sind... wo... wo bist du, Jeremia... (Jeremias tritt v^ögemd eini^ Schritte näher ^ bleibt dann stehen^ ^ichsam vom eigenen Gefähle bei(wungen.) Die Mutter (sich gegen ihn wendend) : Du bist da, ich fühl es... meine Sinne eratmen dich... weh, daß es so dunkelt vor meinem Gesicht... was trittst du nicht nah, daß meine Hände dich feissen... Was kommst du nicht, mein Jeremia? Jeremias (unbeweglich verharrend^ die Hände an sich gekrampft) : Ich wage es nichtl Ich wage es nichtl Unheil hängt mir an, Fluch fahrt mir voraus. 5 65 DiB MuTTEH (fiebrig): Meia Kind, meine Arme, sie sdinen sich aus, was kommst du nicht. Lieber, was kommst du nicht nah? Ward dir so widrig die Lippe, so fremd meine Hand? Jeremias: Fremd bin ich mir selbst, fremd steh ich im Hausl Die Mutter: Ob, er verstößt mich, er läßt mich 2um anden>- mall Was läßt du mich sehnen, was bist du so hart? Jeremias: Ich kann nicht 1 Ich kann nicht I Ein Wort brennt zwischen mir und dir wie des Engels Schwert. Die Mütter: Oh, der Fluch, den ich tausendmal selber ver- fluchte« Wind hat ihn zerblasen, mit dem Atem ist er ver- weht, Jeremias: Nein, Mutter, wach ist dein Fluch und alle Gassen rege deines Worts. Von den Häusern ist er gefahren wider mich, aus aller Menschen Mund sprang er mich an. Die Mutter: Und wärest du der Verstoßene einer Welt, und hätte selbst Gott dich verstoßen, mein Kind bist du und mein selig Blut für immerdarl Für ihren Haß will ich dich lieben und segnen für ihren Fluchl Haben sie gespien auf dich, ob, komm, daß ich dich küsse; haben sie dich ver- stoßen, oh, komm, daß ich dich empfange; oh, kehr heim an mein Herz, da du ausgegangen. Jeremias (mit einem Aufschrei binstürs^end und in die Knie sin- kend) : Oh, Mutter, du ewige Güte dul Ob, Mutter, du meine verlorene Welt! Die Mutter (ibn in den Armen einwiegend^ bält ibn lauths um- Jangen. Ibre Hände streichen immer asifs neue v^ittemd aber sein Haupt ^ seinen Leib. Endlich hUckt sie ihn an^ in ihrem Augf gläns^t ein fremdes y gluckseliffs Lichte wie sie gleichsam in singen- der Klage :(u ihm spricht) : Mein Kind, du mein weltverloreties Kind, Ach, wärst du doch niemak von mir gegangen Zu den Menschen, die starr wie die Steine sind! Oh, du Lieber, du Guter, du spät Belehrter, Mein Herzgewiegter, mein Heimgekehrter, 66 Ruh aus nun, du Lieber, am Herzen ruh aus. Laß dir streicheln die Stirn, laß dir schmeicheln das Nbuur Wie einstens, wenn in dir ein Wehes war. Und das Wort, das harte, das törichte Wort, Sieh, schon streichts die Hand von rns. Zedekia: Hoäärdg ist er und sein Trotz ein Gewitter über unsem Häupten. Aber ich fürchte ihn nicht. (Ergebt auf und ah.) Keine Frage hat er getan nach mir? Baruch: Nein, mein König. Zedekia: Nichts sind wir ihm, ein Häufchen Staub unsere Mauern. Aber er möge Trotz finden für sein Trotzen. Elf Monde stößt seine Stirne gegen unsere Wälle, und kein Lächeln sind wir ihm wert. Aber noch ist mein Joch nicht geschmiedet, noch stehen die Mauern Jerusalems. (Er gebt heftiger auf und ah.) Noch heute, sagst du, verlangt er die Botschaft, noch heute? Baruch: Morgen neut sich der volle Mond. 88 (Z. £ z:. Ä ^*x^ wissend war er ihrer, nicht hat er sie befohlen noch gebilligt. Zedekia: Wer ist dieser, der dir gebietet? Baruch (oMsflikbtend) : Mein Ldirer, mein Meister. Zedekia: Wer ist dein Meister, frage ich, wer gebietet den Knaben in dieser Stadt? Baruch: Gottes Diener und Prophet ist mein Meister - Jere- mias. Zedekia (ausbrechend): JeremiasI Er, immer erl Immer der Schatten hinter meiner Tat, immer in Aufruhr wider michl In den Kerker habe ich ihn verschlossen, aber noch immer schreit er zu mir wie am ersten Tage: Friede, Friede I Was drängt er sich vor? Was will er mich verwirren, was quert er meinen Weg? Baruch: Du irrst, mein König I Jeremias liebt dich mehr denn einen andern dieser Stadt. Zedekia: Ich brauche seine Liebe nicht, ich speie sie an und zerblase seinen 2k>ml Wer ist er, daß er wagt, mich zu lie- ben? Darf einer aufstehn in der Gasse und künden, er liebet mich oder liebet mich nicht? Will er mehr sein als ich? Ich bin der Könige ich allein I Möge er schreien: Friede, Friedet Nicht seine Hand hält Jerusalems Geschick. Ich bin der König, und nicht rühmen soll er sich, er habe mich ge- schreckt mit seinen Träumen. Eher sinke die Stadt, als daß sie gerettet sei durch JeremiasI (Zu Baruch:) Du gehst 2u Nabukadnezar und sagest ihm an: Nie wird Zedekia ein Joch tragen, nie hebt er den Vorhang des Heiligsten. Möge er kommen mit seinen Völkern, Zedekia ist ihm bereit (Baruch^ im Schrecken beide Hände hebend^ will sprechen.) . Zedekia: Kein WortI Und bringst du die Botschaft nicht, so fällt Jeremias Haupt. Zweimal habe ich seines Lebens geschont, doch 2u Ende ist meine Milde. Gehl Ich befehle dir: Gehl (Baruch bleibt noch einen Augenblick stehen^ dann verhüllt er sein Antlitv^ und wendet sich ab.) Zedekia (hat sich drohend aufgerichtet gegen den Zögernden. Wie Baruch abgeht^ fällt sein ausgereckter Arm nieder wie z^erbrochen^ 90 sein Anttitvi verdüstert sieb ven nettem. PÜtv^cb sieb aufrechend) : Vorbeil Ein Ende, ein Endel Nur nidit mehr die Quall ( Er gebt wieder auftmdah^ bebt den Vorbang und siebt lange stumm sinnend auf die Stadt, Endlicb stampft er v(weimal mit dem Fuße.) Der Knabe Schwertträger (ersebeint) : Mein König? Zedekia: WeinI Bring mir WeinI Ich will schlafen, schwarz und tief, schlafen ohne Träumel (Der Scbwertträger bringt bastig einen Krug und fällt den silbernen Becber. Zedekia stuntf ibn gerig binab. Sein Gesiebt wird wieder unrubig.) Zedekia: Wer ist draußen im Gange? Ich höre einen Schritt. Ist der Späher nicht gegangen, zögert er noch? Schwertträger: Er ist gegangen, Herrl Der draußen wacht, ist mein Bruder Nehemia. Zedekia: Er soll nicht so laut schreiten des Nachts vor mei- nem Schlafgemach. Ich will nichts hören um mich. Ich will schlafen. Auch ich will schlafen wie die andern. Schwertträger: Es soll geschehen, Herrl (Er scblägt die Vorbangt des Pf Übles attseinander ttnd verbtUlt die Ampel.) (Zedekia breitet sieb bin.) (Scbwertträger rttft Nebemia. Sie stellen sieb schweigend ins Dunkel v^u Häupten des Bettes^ reglos attf ibre Lampen gestütv^t. Es ist gan^ still. Man bärt aus dem Hofejet^t das leise plät- scbcmde Rauseben eines Springbrttmtefu.) Zedekia (plotv^cb wild attf springend ttnd sie anfahrend) : Was flüstert ihr miteinander? Habe ich nicht Stille befohlen? Schwertträger (erschrocken)*. Wir sprachen nichts, mein König. Zedekia: Aber es spricht jemand! Wer dringt in meinen Schlaf, wer frißt an meinem Schlummer? Sie sollen schla- fen jetzt alle, alle, damit ich schlafen kannl Ist jemand noch wach in den Nebengemächern? Schwertträger: Niemand, mein König. Niemand ist wach mehr im Hause. ZiEdekia: Niemand ist wach mehr, nur ich, nur ich, Wein, gib mir WeinI 91 (Schwer tträgtr ffbt ihm wUdtr dm Becher^ Zedekia stürzet ihn bastig hinab $md scblettdert ibn weg. Er stöhnt und legt sich wie- der atcf das RMbebett, Wieder wird es gan!(^ still. Wieder bort man durch die Stille das Rauschen des fernen Springbrunnens. Es ist ein leises Tönen davon in der Luft^ einlullend $md geisterhaft.) Zedekia (der reglos ffhffn^ richtet sich im Dunkel gan:^ leise auf. Wie ein Tier im Ansprung^ krümmt sich sein Körper in der An- strenffmg des Lauschens ^ er krampft sich immer mehr v^usammen^ undplötv^ch schreit er heftig): Es spricht I Es spricht 1 Es spricht hier von irgendwo. Ich höre eine Stimme, ich höre, ich höre sie. Und es soll niemand jetzt reden in meinem Haus. Wie Gesang tönt es her, es soll niemand jetzt singen in meinem Haus. Hört ihr es, hört ihr es nicht? Schwertträger: Ich höre nichts, mein König I Nehemia: Nichts habe ich vernonmien... Zedekia (sieht beide starr an, dann krümmt er sich wieder auf seinem Lager v^usammen, horcht und plö!(lich wieder losbrechend) : Und dochl Es spricht I Es spricht 1 Es spricht ohne Endel Hieher, Schwertträger, hier, unter meinem Ohr. Wie ein Maulwurf wühlt es im Schwarzen meines Schlafes und frißt meine Ruhe. Hörst du, hörst du es nicht? Schwertträger (lauscht. Es ist einen Augenblick gatr^ stilL Dann schaudernd): Ich höre eine Stimme. Aus der Tiefe dringt sie empor I Zedekia: Ah, du hörst sie auchl Schwertträger (schaudernd) : Es tönt wie Gesang. Die Gei- ster der Tiefe sind wach unter dem Haus. Es klagt und stöhnt wie ein gefesseltes Tier. Zedekia: Wer singt hier nachts in meinem Haus? Ist den Sklaven so wohl, daß sie singen, indes ich, der König, hier liege mit brennenden Lidern? Geh, Joab, und mache ihn stumm. (Schwertträger eilends ab.) Zedekia (bleibt gekrümmt horchend. Er scheint etwas v^u hören, denn er hebt den Kopf dann beugt er sich wieder horchend nieder. Plötv^licb hört man dumpfe Schläge. Der König horcht gjerig. 92 • 4 Dann aufatmend): Gott sei gedankt Es schweigtl Es ist stumml Er hat es stumm gemacbtl (Schwertträger erscheint wieder an der Tür, Er blickt ver- stört.) 21edekia: Wer war es» der da sprach? Schwertträger (vetternd) : Ich weiß es nicht, Herr. Ich bin ihm nicht genaht Wie ich niederstieg zur Halle, hörte ich stärker das Singen, wie aus einem Brunnen klang es empor oder einer Grube. Und ich hörte seine Worte, die waren fürchterlich. Dreimal stieß ich den Speer auf die Erde. Und da schwieg die Gehenna. Zedekia: Was tönte die Stimme? Schwertträger (schaudernd) : Ich... ich kann es nicht sagen I Zedekia: Ich befehle dir: Sage die Worte I ScifWERTTRÄGER (schasidemd. Seine Stimme wird psalmodierend im Gesang) : So sang es von der Tiefe: Ich habe mein Haus verlassen müssen Und mein Erbe meiden. Und was meine Seele liebet, in der Feinde Hand geben. Meine Augen fließen mit Tränen Tag und Nacht Und hören nicht auf. Denn die Jungfrau, die Tochter meines Volks Ist greulich 2erplagt Zedekia (aufschreiend) : JeremiasI Er, immer erl Schwertträger (wie begeistert weitersinffnd) : Wehe, wie hat der Herr die Tochter Zion Mit seinem 2k>m überschüttet I Er hat die Mauer seiner Paläste In des Feindes Hände gegeben... Zedekia (ausbrechend) : Schweig still I Ich will es nicht hören. Ich will nicht! Immer er, immer erl Auf jeden Kreuzwegist er gestellt, da ich schreite. Aus der Grube noch schreit er 2u mirl Wie ihm entfliehen, der mich verfolgt, wie ihm entgehen, der allerorts ist? Wer befreit mich von ihm... Schwertträger: Herr, ist es dein Feind, so... (Er macht eine Bewegung,) 93 Zedekia (auf ^schreckt aus seinem Zorn^ starrt ihn fassmgshs an. Dann in erwachendem StohQ : Du meinst... Nein, ich furchte ihn nicht. Ich fürchte niemanden. Und ich weiß nicht, ob er mein Feind ist. Vielleicht... (Er gebt mtnthig auf und ab:) Schwertträger I Schwertträger: Mein König? Zedekia: Geh hinab und bringe den Mann aus der Tiefe vor mich her. Geheim muß er gebracht werden und im geheimen wieder hinab. (Der Schwertträger eilig ab.) Zedekia (alkin. Er spricht halbla$tt vor sich hin) : An jedem Kreu2weg hinter meinem Rücken und immer 2u spät und immer muß ich ihn hören. Warum rief ich nur Gott, der mir schweigt, und nicht alle, die sagen, daß er rede durch sie? Aber warum reden sie einer gegen den andern und widersprechen sich wie ja dem nein? Wie sie erkennen, wie scheiden das Falsche vom Wahren? Furchtbar, furchtbar dieser Gott, der immer nur schweigt und dessen Boten keiner erfaßt 1 (Jeremias erscheinty begleitet vom ScbwertträffTy der auf eine Gebärde Zedekias sofort den Raum verläßt. Sein Antlit^i ist fahl und abgemaffrty scbwarvi wie aus einem Totenschädel schauen die Augen aus einem weißen^ knöchernen Gesicht. Er blickt den König ruhig forschend an.) 21edekia (nach einer kurzen Betretenheit) : Ich habe dich rufen lassen, Jeremia. Warum störst du meine Ruhe? Was singst du des Nachts, da alle schlafen, und schläfst nicht auch? Jeremias: Dem, der da wachen soll über das Volk, ist kein Schlafen verstattet, und 2um Wächter bin ich gesetzt und zum Warner. Zedekia: Wahr sprichst du, Jeremias, nicht ist jetzt Zeit zu ruhen in Jerusalem, und bei Gott, ich habe nicht geruht. Viel ist von den Dingen wahr geworden, Jeremias, die du geweissagt, und deine Stimme ward stärker in meiner Seele. Nabukadnezar ist gekommen von Mitternacht mit Rossen und Wagen, wie du gesehen im Traum, und gürtet die 94 Stadt. Nichts ist ihm gelungen bislang, doch mächtig hilft ihm die 2!^t. Ein Geheimnis will ich dir künden. Karg wird in den Mauern das Brot. Jeremias: Ich weiß es, Herr. Zedekia: Wie kannst du es wissen? Keiner hat die Säcke ge- gezählt als Nachum, der Hüter. Wie gibst du vor, es 2u wissen, der du beim Dünger liegst unter der Erde? Jeremias: Das Brot ist kleiner geworden und kleiner, das sie mir in die Grube reichten, kaum deckt mirs die Spanne der Hand. Und ich höre die Hunde winseln des Nachts und scharren in den Knochen, denn keiner wirft ihnen mehr Weiches zu. So ward mir die Not bewußt. Zedekia (noch gtreh^ttr) : Die Hunde wissen es in den Gassen, die Versenkten in ihrer Grube, und mich, den König, hat man heut es gelehrt. Auf den Gassen geht die Wahrheit um und weilet dort lange, ehe sie kommt 2u den Königen. Jeremias: Wie soll Wahrheit dorthin eilen, wo Dünkel weilt? Ist ihr denn Willkomm bei den Königen? Sie meinen, die Hochmütigen, man könne Feuer fassen, ohne sich zu bren- nen, und ins Schwert greifen, ohne sich zu schneiden. Wer aber den Frieden stört, dem wird er verstöret werden, und wer Wind in die Welt gesäet, wird Sturm ernten in seiner Seele. Zedekia: Jeremia, zum Rat habe ich dich gerufen, nicht zur Schmähung I Aus deiner Tiefe habe ich dich geholt, und keiner weiß es von ihnen, daß aus dem Brunnen, darein sie dich versenkten, Ratschluß ich hebe. Darum sprich zu mir wahrhaft und rate, ehe daß du schmähest. Willst du mir zu Willen sein? Jeremias: Gott einzig bin ich zu Willen. Zedekia: So höre, was keiner weiß, denn meine Räte. Ein Bote kam von Nabukadnezar, daß wir wendeten den Krieg von unseren Völkern. Jeremias (jattck^end) : Gelobt sei Gott! Tu auf ihm die Tore, tu auf der Demut dein Herz! Zedekia: Nicht juble zu frühl Meine Ehre hat er gefordert. 95 Jeremias: Gib sie hin för die Stadt 1 r>l Zedekia: Ist nicht Ehre mein Amt und der Stolz meine Krone? jy^ Jeremias: Was dein ist, wirf wegl Besser als Ehre ist Friede. Zedekia: In ein Joch will er mich beugenl Jeremias: Selig 2u leiden einer für alle. Beuge den Nacken, errette die Stadt I Zedekia: Doch nicht mich nur will er erniedrigen, auch unsem Gotc JfeREMiAs: Gott lächelt seiner Verächterl Tu auf ihm die Tore, tu auf der Demut dein HerzI Zedekia: Das Heiligste will er betreten, dem keiner genaht I Jeremias: Gott wird es wehren, so es sein Wille ist, nicht du. Tu auf die Tore, tu auf der Demut dein HerzI Zedekia (ergpmmt) : Starrsinn ist deine Weisheit und Trotz dein Ratschluß. Mit tauben Ohren hörst du mir zu, und Kieselstein ist deine Antwort. Jeremias: Soll ich die Hände klappen zu deiner Verblendung und jauchzen zu deinem Wort? Rat scheinst du zu fragen und buhlst doch nur BeifalL Zedekia: Was wirfst du dich hart über mich? Noch weißt du meinen Willen nicht. Jeremias: Ich kenne deinen Sinn. Nur dein Wort buhlt um mich, doch dein Wille bockt wider michl Nicht riefst du mich, daß ich die Waage sei deines Entschlusses. Langst ist die Botschaft gehärtet in deiner Seele und gesiegelt deine Meinung. Nicht mich belügst du, nur dich selber, König von IsraeL 2^ekia: Jeremias 1 Jeremias: Ja, ich, Jeremias, sage dir, dem Könige: Ausflucht sind deine Worte. Denn nicht frei ist dein Wille mehr, und du willst nicht, d$ü3 ich ihn wende. Zedekia (msicher) : Wie kannst du es wissen? Jeremias: Deine Lippe verrät es, wie ein Schuldiger schrakst du vor meinem Zorn. Versuchen wolltest du mich, daß ich dir zuspräche und ablüde die Schuld deinen Schultern, aber, 96 wehe dem, der Menschen vetsucfat» denii Gott ▼etsucfat er in ihnen. Zedekia (^pffrt hetroffm, Datm Uu) : Viel ist dir zu wissen gegeben, JeremiasI Wahr, allza wahr ist dein Wort hBdit ist mein Wille mehr £ceL Schon ist die Botsdiaft bei dem Boten. Jkrkmtas; Nimm sie ihm abl Errette die Stadtl Zedekia: Schon ist er gegangen. Jeremias: ZurückI Ruf ihn 2urückl Zedekia: Es ist 2u spät. SchcMi hak sie des Königs Handl Jeremias (bricht ^usammtm^ verbaut stm Gesiebt^ mit nmm immp- fen Schrei die Hände rechend) : Dann wehe, wehe Jerusaleml Jerusaleml Jerusaleml Wehel Wehel Zedekia (erschreckt ihm nahe tretend) : Was ist dir, Jeremias? Jeremias (hört ihn nicht. Ein ScUnchß^en ffht durch seinen Kär- per. Allmählich richtet er sichgans^ empor. Seine Anffn starren in die Feme mit ekstatischem BUck^ sein gms^er Leib ist durchschät- tert von mächtiffr Bemegfmg. Er spricht abwesend wie im Gebet ^ die Hände anßebend^ nb^wältip von innem Gesichten) : O wehe, wie bist du vom Himmel gefidlen» Jerusalem, prächtiger Morgenstern, Und gedachtest doch über die Welten zu stdgenl Über die Wolken wolltest du fiihren. Doch wehe, du bist gesunken, du Schöner, Nieder, o nieder, in Dunkel und Nacht. Zedekia (ihn erwecken wollend) : JeremiasI Jeremias: Was war heller ab deine Stime, Du Burg Jakobs, Du Kronstadt Davids, Du Zelt Salomos, Gottes Kleinod und heiliges Haus? Wer konnte dich künden, wer durfte dich rühmen? Völker pilgerten her, dich zu schauen. Und wer dich schaute, dem frohlockte das HerzI Zedekia: Du rasest, JeremiasI Wach aufl Wach aufl Jeremias: Doch wie still bist du nun, du Schöne, geworden, 7 97 Wo ist dein Leuchten, wohin dein Gefiinkel? Nicht mehr flüstern Die Stimmen des Bräutigams und der Braut, Weithin verscholl das Wogen des Marktes, Das Tönen der Freude, Flötenklang und der Jungfraun Gesang I Wehl Ein Würger ist über dich kommen. Ein arger Vollstrecker von Mittemacht Eitel Wüstung sind deine Straßen, Domen wachsen in Marmelgemächem Und Nesseln in deines Königs Palast. Zedbkia: Du lügst. Verfluchter I Hoch und heil sind Jerusa- lems Mauern 1 Jeremias (immer frenetiscber) : Alles Haupt ist geschoren. Aller Bart ist geschnitten. In Säcken gehen die Mütter und reißen Mit Nägeln sich rot das Fleisch von den Wangen: Wo sind meine Söhne? Wo sind meine Töchter? Doch wehel Es liegen wie Kot in den Gassen Die Leichen der Knaben, erwürgt von den Knechten, Die Frauen, erdrosselt im Strang ihrer Haare, Die Schwangern zerhaun mitsamt ihrer Frucht. Zedekia: Schweig still I Schweig still I Du lügst I Jeremias: Was hUft es 2u flüchten in die Geklüfte, In brennenden Steinriß, in tiefes Gestrüpp? Sie jagen dir nach mit Rossen und Meuten, Sie treiben dich aus mit Räuchern und Bränden, Sie fassen dich an und fassen dich dochl Sie treiben das Volk mit dem Stecken des Treibers, Sie schwächen die Frauen, sie schlagen die Greise, Die Tochter des Königs wird Magd seiner Mägde Und Sklave der Sklaven der rechtliche Mann. Zedekia: Kein Wort mehr, du Lügner, bei meinem ZomI Jeremias (auf klagend) : Oh, Jerusalem, Jungfrau und Gottes- kind, Geschmäht und geschwächt vom Hohne der Heiden, 98 Sie bS^'J/^' ?:-^ -<^ iem des Lachens, »ß. wie^£ ^ und lachen betulich: ^ «t der^^« *^f 5*°^«. *«« Schönel ^-^bensä;^:,^^»-'-«^ Schweig^^^^^r ff! f/ ^A». «// ir^W//.» i^^,«,;: I^ lügTtl *^' Ich kann es nicht hötcnl Du lügstl Jerusalem, Wiege der V^r^* ^^^ Gottesstad ^e Sa«e d^T^^*"^ "^^ ^*^« <"<*? Ich sehe "^ ^ Ldd. ich seh deinen Tod, Nichts ^t ^f l?^-''^ "^ '*''^*'' '« '***•''"» -2i^J • J^RBMiAs ^/ ^ *•*"' J^ l««e ««ich blendenl Mich?! '^''' ''•»*«*«*'. '« «»rAm-A»ir EJksfüse)- blenden, Gottes Wohl x^ ^^ Entechinß bestimm Ehe tt muß uns helfen... Die Bundeslade... Zu den Priestern... Die aufreizende Stimme: Nein: Fluch den Priestern! Fluch den Propheten! Alle haben sie uns belogen! Die Menge: Fluch! Fluch! Die aufreizende Stimme: Sie haben geschlagen, die warnten und rieten... Eine Stimme: Geschlagen Jeremias! Andere Stimme: Ja! Er hat es gesagt! Jeremias... Jeremias... Andere Stimmen: Er hat gewarnt... Friede hat er gefordert... Er ist der Prophet. •• Er hat alles gekündet. Andere Stimmen: Wo ist er... Jeremias... rufet ihn her... Jeremias... wo ist er... Eine Stimme: In den Düngerhaufen haben sie ihn versenkt, hier im Palast. (Die Menge bricht in ein Wutgebrüll aus.) 106 Stimmen: Wir müssen ihn be&eien... ja... ja... er wird uns erretten... sprengt seine Gruft... ja... heraus mit ihm. Andere Stimmen: Die Tore auf... Jeremias... Jeremias... (Die Menge bat ihre Stimmen v^u dem eim(igm glühenden Schrei yyJeremiaSy Jeremia/* v^usammengefaßty in dem sich ihre Wuty ihre Hoffnung und Angst vereint. Ihre Flut ist die Treppe wieder hin- aufgeschäumt; mit Brettern und Hämmern und den Fäusten schla- gen sie gegen das verschlossene Tor. Endlich wird v^ögemd auf- getan.) Der Türsteher: Was wollt ihr? Die Menge: FortI Jeremiat Jeremial (Sie stoßen ihn f(ur Seite.) Der Türsteher: Hilfe! Hilfe! (Sein Schrei wird mit ihm selbst fortgerissen, ein Teil der Masse flutet schwarv^ durch die Tür, man hört dumpf das Sprengen von Türen, das Schlagm von Äxten, Die Menge unten beobachtet in wilder Ekstase und Ungeduld das Geschehen.) Stimmen: Hinein!... Hinein!... Gan2 unten haben sie ihn ver- scharrt... sie hatten Furcht vor ihm... die Hunde... Stimmen: Oh, ein Heiliger ist er... ein Gesandter des Herrn... Ohy Jeremia... er wird uns erretten... Ein Weib (in Ekstase) : Er hat die Hände gebreitet und ge- rufen Friede! Gottes Flamme war auf seinen Lippen und seine Stirne hell wie von Engelsgeleucht. Eine Andere : Er wird seine Hand ausrecken wider die Feinde, und Aussatz wird über sie fallen. Oh, seine Füße zu küssen, des Heiligen, der für uns gelitten! Eine Andere: Gegeißelt haben sie ihn... wie Bakam sind für uns seine Wunden... ich will knien vor ihm in den Staub... (Jubelgeschrei von oben aus der Tiefe.) Die Menge unten: Sie haben ihn gefunden!... Rettung... Rettung... Gottes Gnade... Jeremia... Jeremia... (lL>ie Menge hat unter wildem Getöse Jeremias im Triumph aus dem Tore geschleppt. Er steht an der obersten Stufe, die Augen verhüllend vor d,m Lacht, das so plöt^ich auf ihn eindringt. Um ihn tost die Ekstase der Menge.) Stimmen: Heiliger! Meister!... Samuel... Elia... Elia... Oh, 107 Verkünder... Jeremia... errette... errette uns... Jeremia... Das Weib (:($/ s$imn Füßen sieb werfend) : Was verhüllst du dein Antlitz? Jereioas (langsam die Hände von den Anffn nehmend. Er ist sehr ernst $md düster^ wie er in die wilde Erwartung blickt) : Fremd ist das Licht meinen Augen, es brennet mich, und unge- wohnt diese Liebe meiner Seele; auch sie brennet michl Was heischt ihr von mir? Die Menge: Heiliger... Jeremias... rette uns... Gesalbter.. • rette die Stadt... Unser König sei... tue ein Wunder... Das Weib (hinstürzend v(n seinen Füßen) \ Heiliger 1 Gesalbter Gottes! Rette uns, rette Jerusalem I Was du geschaut, hat sich erfället, die Chaldäer sind über uns! Eine Stimme: Sie stürmen die Mauer von Moria! Eine andere Stimme: Unsere Männer sind geschlagen. Eine andere Stimme: Vor dem Tempel schon kämpfen sie. Eine dritte Stimme (per^weifelt) : Rette, rette Jerusaleml Die Menge (frenetiscb) i Rette, rette Jerusalem! (Jeremias bleibt mbeweglicb und birgt sein Gesiebt in den Hän- den.) Eine Stimme: Wer errettet uns, wenn nicht du? Die aufreizende Stimme: Die Priester haben uns verraten, ^ der König uns verkauft. Jeremias (a$iffabrend): Das ist nicht wahr! Was schmäht ihr den König? Stimmen: Er hat ims verlassen... er ist geflohen... Jeremias (stark) : Das ist nicht wahr. Stimmen: Sie haben uns in diesen Krieg geführt... sie haben uns geopfert... Wir haben diesen Krieg nicht gewollt... ^ Ich n^cht... nein... ich nicht... ich nicht... Der König hat ihn gewollt... ich nicht... keiner von uns. Jeremias: Alle habt ihr ihn gewollt, alle, alle! Wankelmütig sind eure Herzen und schwanker denn Rohr. Die jetzt Friede schreien, hörte ich toben nach dem Kriege, und die jetzt den König schmähen, jauchzeten ihm zu. Wehe, du Volk! Doppelzüngig ist deine Seele, und jeder Wind wendet 108 deine Meinung 1 Ihr habt gehurt mit dem Kriege, nun traget seine Frucht! Stimmen: Wehe... er 2ümt uns... Jeremias... sieh unsere Not... hilf uns... Jeremias: Niemand kann helfen, so Gott euch nicht hilft. IDiE AUFREIZENDE STIMME : Gott hat uns verlassen! IDiE Menge: Ja... Gott hat uns verlassen... wo ist er... wo ist der Bimd, den er geschlossen mit uns... Gott hilft nicht... Jeremias (v^omig): Was zischt ihr wider Gott aus eurem Elend! Wahrlich, ein Wunder wäre vonnöten, euren Starr- sinn 2u beugen! Noch aus dem Tod hebt ihr die Stime, noch aus dem Untergang eure Lästerung! Wehe, welch ein Volk seid ihr! Ich aber sage euch, beuget euch, beuget euch! Nicht auf das Wunder wartet, das euch orlöse - (kn Gott erlöset in euch! Beuget euch, ihr Starren, demütiget euch, ihr Hochmüdgen, ehe ihr zerbrochen werdet! Stimmen Herbeistürmender: Sie haben ein Tor gesprengt bei Moria... Abimelech ist gefallen! Die Menge (wild asrfscbrtiend) : Wehe... wehe... (Datmplötv^^ lieb mit verdoppelter Wmbt gegm Jeremias aufscbäitmend:) Höre... höre... wir sind verloren... jetzt hilf... tue ein Wunder... ein Wunder, Prophet... ein Wunder... Jeremias (ver:(weifelt) x Was wollt ihr, daß ich tue? Soll ich die nackten Arme recken wider den Feind... Die Menge (ekstatisch): Ja... ja... tue ako... Jeremias: Glaubt ihr denn, daß ich jagen kann, den Gott wider euch sandte? Die Menge: Ja... ja... Du kannst es... Jeremias: Ich kann es nicht. Wahnwitzige! Nichts vermag ich wider Gott! Die Menge: Du kannst es... rette Jerusalem... Du kannst es!... Das Wunder tu... Jeremias (ausbrechend) : Und wenn ich es könnte wider Gottes Willen, ich täte es nicht. Zu ihm halte ich, dem Getreuen, und nicht zu euch, die ihr schwanket. Sein Wille geschehe und nicht der eure! Herr, tue, wie es dein Wille ist - ich 109 beuge mich dir, ich beuge mich. Fallen möge Jerusalem^ so es dein Wille ist - ich beuge mich! (Die Menge bricht in einen Entsetv^sscbrei aas,) Jeremias: Fallen möge dein heiliges Haus, so es dein Wille ist - ich beuge midit Die Menge: Er ist rasend... Nieder mit ihm... Er ist toll... Wehe... Er verflucht uns... Schweige... Verräter... Wehe... Jeremias (gan:(, in Ekstase) : Was immer du tust, ich beuge mich« Ich beuge mich, Herr» und bezeuge dicht Ist Dunkel gesunken, kam Leidenszeit, Herr, ich bin allem Leiden bereit! Und je mehr du mir Leiden und Martern gibst. Um so mehr will ich künden, daß du mich liebst! Ich will doppeln die Qual, die du auferlegt. Ich will küssen die Geißel, die mich zerschlägt. Ich will danken der Hand, die mich knechtet und kränkte. Ich will rühmen den Brand, der das Herz mir versengte» Ich will segnen den Tod, den ^in Wille entsandte. Ich will segnen die Not, die die Stadt uns verbrannte. Ich will segnen Bitternis, Knechtschaft uhd Schmach, Ich will segnen den Feind, der die Tore zerbrach, ^ Denn ich beuge mich, Herr, und bezeuge dich! Was immer du sendest, ich lobe dich, Herr, höre mein Wort und erprobe mich! Die Menge (in Wutscbreien ihn unterbrechend) : Verräter... stei- niget ihn... er segnet unsere Feinde... er betet für unsere Feinde... Steiniget ihn... Fluch wirft et über uns... Läste- rer... Steiniget ihn... Die grelle aufreizende Stimme (alle überkreischend) : Kreu- ziget ihn! Kreuziget ihn... Die Menge (die Stufen emporschäumend in wildem Schrei) : Ja... ans Kreuz... kreuziget ihn... Gotteslästerer... Verräter... steiniget ihn... kreuziget ihn... Jeremias ((Ue Arme auf tuend v^ur Kreut^^gebärdcy in äußerster Ek- stase) : Dein Wille geschehe! Kommt her! Kommt her! 110 Die Lan2e rammt mir ein und den Speer, Oh, geißelt nur, speit und beschmähet mich. Zum Kreuze schleppt und erhöhet mich. Zerreißt meine Hände, zerbrecht mein Gebein, - Ich will ja nur für euch alle und alle Vor Gott das selige Sühnopfer sein. Oh, £aßt mich! Vielleicht ist mein Opfer genehm. Vielleicht sieht sein Auge mit Wohlgefallen Mein brennendes Herz und erbarmet sich Und rettet und rettet Jerusalem! (Die Menge schäumt empor y ihn umringend. Einige fassen ihn, andere werfen sich ihnen entgegen und versuchen^ ihn ^u befreien,) Stimmen: Ans Kreuz... steiniget ihn... Er lästert Gott... Kreuziget ihn... Fluch Jeremias... Kreuziget ihn... Andere Stimmen: Laßt... Der Geist Gottes ist über ihm. Andere Stimmen: Ans Kreuz... Ans Kreuz... Er hat uns ver- flucht. (Die Menge hat ihn mter wilden Rufen gefaßt tmd schleift ihn mit sich, Sie schlagen auf ihn ein,) Stimmen: Kreuziget ihn... Ans Kreuz... Er hat sie gerufen... er ist der Feind... Kreuziget ihn!... steiniget ihn... (Fluchtige kommen in diesem Augenblick von rückwärts gestürmt in wahnsinniger Verwirrung, Sie schleudern die Waffen im Lauf weg und gebärden sich wie Tolle,) Wilde Stimmen: Die Mauer ist gefallen... Die Feinde sind in der Stadt... Die Chaldäer über uns... Neue Flüchtige: Abimelech ist tot... Alles ist verloren... Neue Flüchtige (in vollem Lauf) : Sie sind hinter uns... Zum Tempel... Alles ist verloren... Wehe... verloren Jerusalem! (Die Menge stiebt in furchtbarem Entsetv^ensschrei auseinander, Sie lassen Jeremias und stünden kreischend in alle Richtungen, Die gan^e Stadt dröhnt von Getöse und Flucht,) 111 DAS ACHTE BILD DIE UMKEHR ,,Oh, daß Hiob versuchet würde bis ans Ende." Hiob XXXIV, 36. Ein weitläufiges keller artiges Gewölbe y dessen Läden verschlossen und dessen Türen verrammelt sind. Wie Gewärm ^ dunkel und verstrickt ^ kauern und liegen Flüchtlinge auf den Steinen y einige haben sich um einen Greis v^ammengetan^ der a$ts der Schrift mit ^^erbrochener Stimme liest; rückwärts ^ von einer Frau behütet ^ ein Verwundeter, Abgesondert von ihnen^ auf einem Stein und selbst reglos in Fels er- starrt y sitv^t gebückt J er emias^ das Antlitv^ in den Händen vergrck- ben. Sein Schweigen liegt wie ein Block in dem wogenden Murmeln und Widerstreiten der andern. Es ist der Tagncuh Jerusalems Fall^ die Stunde nach Sonnenuntergang, Der Älteste (liest vor aus der Schrift y den Leib rhythmisch wie- gend z(u den Worten^ die er leise und monoton spricht y nur manche Rufe der Ven(weiflmg und der Begeisterung ruft er vor, und die anderen sprechen sie im murmelnden Chore mit) : Höre, o höre, du Hirte Israels, Der du Josephs hütest wie der Schafe, Erscheine, der du sitzest über Cherubim, Erscheine, erwecke deine Gewalt 1 Dm Andern um ihn (mitmurmelnd): Erscheine, erscheine. Erwecke deine Gewalt! Der Älteste: Erscheine, du Hirte 1 Gott, tröste uns. Laß leuchten dein AntUtz, auf daß wir genesenl Wie lang willst du zürnen dem betenden Volke, Laß leuchten dein Antlitz, auf daß wir genesenl Die Andern: Laß leuchten dein Antlitz, auf daß wir genesen! Der Älteste: Nicht denke der Sünden, so wir begingen. Erbarme dich vmser, eh wir vergehn. Denn dünn und schwank schon sind wir geworden, 8 113 Und der Sturm deines Ingrimms wirft uns 2u Tod, Nicht denke der Sünden, so wir begingen. Gedenke des Bundes, gedenk deines Namens, Erscheine, du Hirtel Führ heim deine Herde! Erscheinet Erwecke deine Gewalt! Die Andern: Erscheine! Erwecke deine Gewalt! Andere (fltbentikb) : Laß leuchten dein Antlitz, auf daß wir genesen! Der Verwundete (von rückwärts ^ der leise gestöhnt bat yjet:(t laut pten ihn vor Nabukadnezar. Stimmen: Und er... was tat er? Zephanja: Ich kreuzte den Weg seines Leidens und stand auf dem Platze, da sie ihn in Ketten hielten. Und sie schlugen vor seinen Augen seine Kinder eines nach dem andern mit dem Schwert Dann aber... als seine Augen voll waren mit Grauen und Tränen... dann ward der Gesalbte des Herrn, dann ward Zedekia geblendet... Jeremias (plötvjicb aus seiner ehernen Rßglosighit auffahrend^ in furchtbarstem Entsetzen) : Geblendet, sagst du... geblendet... Zephanja: Wer ist dieser? Stimmen: Sprich nicht mit ihm... sieh ihn nicht an... nicht nennet den Namen des Verruchten... Fluch ist auf ihm... Zephanja: Wer ist, der da fragte? Ich kenne diese Stimme. Stimmen: Nicht frage... Fluch über ihn... ein Ausgestoßener ist es des Herrn... Zephanja (mit einem geilen Aufschrei^ beide Hände vor sich bin- haltend) : Jeremias I Jeremias : Was schrickst du so vor mir? Was fürchtest du dich? Ich bin nicht zu fürchten mehr. Wind ward mein Wort, und Kot ist meine Kraft. Spei mich an und geh deines Wegs I Zephanja (schauernd)'. Nidit fluche mir, du Furchtbarer, nicht fluche mir! Jeremias: Und wenn ich dir fluchte, was schädigte es dich, und wenn ich dich segnete, was förderte es dich? Was bin ich denn? Ein Hauch ohne Wort, ein Fluch ohne Kraft, ein Verkünder ohne Gott. Spei mich an, denn Aussatz war mein Wort und Lahmheit mein Wandel. Zephanja (noch mehr schauernd): Nicht fluche mirl Verbergt mich vor ihm! Flehet ihn an, daß er mir nicht fludbel Ich kann sein Auge nicht schauen, ohne zu zittern. Der Älteste: Ermanne dichl Was schauerst du vor ihm? Wind sind seine Worte. 116 Zephanja: Ndfi... nrtn— fmrhil M i ist er... er hat es ge- wußt... er hat es gewußt Yotxos... er ...aHrtn .. imd er Int ihn gemficn... der Kooig... er... er... Der Alteste: Wer hat ihn gemficn? Zephanja (^a^ emtgtistirt): Er... er hat ihn gemficn der Kl^iig. Gefiißt hat im sie ihn in sfincn Ketten and wandten seinAnditz daß er schaue, wie man sdoe Kinder schlage — aber sie zwangen ihn... Seine Loipen waren xwi s ü icn den Zäham^ er woDte schweigen... imd er scfawi^ wie sie den ersten fußten seiner Sohne... aber wie sie den zweiten gnfrn^ da bebten sie... und da sie den dritten dnrdistießen, da sptangen sie an^ die Lippen, die y ctanricn ... aber nicht mn Gnade schrie er... er schrie „Jetcmiasr' »Jetemiasr' (Alle ubaaerm ^^rnOck.) Jeremias (im wmtrQmal wdt skb rmffmd) : Idi habe es nidit ge- wollt... nichts habe idi gcwolk von dem allen... er darf mich nicht anklagen... er darf nidit... Das Wort ist in mich gefidiren, wie das Feuer vom Steine fihrt... Zephanja: Was redet er? Ein Weib: Wahnsinn hat ihn befiülen. Ein Anderer: Ein Rasender ist er. Jeremias: Er darf nirhf... er darf mich nicht anklagen... mein Wort ist mein Wille nirhf... Macht ist über mir... Er... Er... Der F urchtbaie... Der Mitleidslose... Sein Werkzeug Inn ich nur... Er hat midi beredet, und ich ließ mich bereden... Fhich hat er in meinen Atem getan... CHi» wehe über die Gottcsfimst... wen er fiißt, der FnrchdMire, den läßt er nidit wieder... oh, daß er mich fiteigäbe, den Verflochten seines Worts... ich... ich... ich will nidit mehr reden seine Rede... Gott, ich will nicht mehr... idi fluch deinem Fluche... laß deine Hand von mir, tu das Feuer von meinem Mund... Die Stimmen: Tobsudit hat ihn übeduunmcn... die Krämpfie... die Kränq>fe... wie eine Gebäredn windet er sidi... weichet von ihm... Gott hat ihn gestraft... (Jeremias bricht wie ^schmettert in sich ^(Msammtn, Alle 117 habin sieb v^usammengescbart tmd drängm sieb vonjeremias fort^ der auf der Eräi liegt wie ein fffätlter Baum. Eint ff Augmblicke berrscbt hestün^teSy ratloses Scbweigm. Dann plötv^licb van außen ein Hämerscball aus großer Feme.) Zephanja: Wehe, sie nahen schon, die Verkünder, die Heroide des Unheils I Alle (um ibn)\ Was ist... was ist geschehen... was bedeutet der Ruf... Lasset den Narren... Sprich, Zephanja... welche Botschaft... Zephanja: Botschaft Nabukadnezars an die Restlinge des Volkes. Stimmen: Wehe... was haben sie vor... soUen wir gehen, sie 2u hören... dürfen wirs wagen... sprich, Zephanja... Zephanja: Es ist Nabukadnezars WÜle, daß die Stadt nicht mehr lebe auf Erden. (Stimmen in Scbreekensscbreien.) Zephanja: Von der Erde reißt er uns weg, wandern müssen wir, Brüder, wie einst in die Knechtschaft. Eine Nacht nur wird uns Restlingen gegeben zur Rast, daß wir die Toten begraben, dann muß ein jeder fort von hier in der Chaldäer Land. Fremden Acker sollen wir bauen, fremde Reben auf- pflanzen imd fremd uns selber werden und unserm Gott. (Der Posaunenscball tönt wieder von näher.) Stimmen: Wir sollen hinaus... fort von 2Uon... fort von Jerusalem... Der Älteste: Ich gehe nicht... ich bleibe... ich bleibe... Zephanja: Wer sich weigert der Wandrung, den fällt das Schwert. Der Älteste: Möge es mich fällen, ich bleibe, ich bleibe I Im Sarge lieber denn in fremdem Geviert I Ein Weib: Mein Bruder ist gefallen, meines Bruders Sohn und mein Gemahl. Graber sind mein Erbe, ich will es behüten. Stimmen (begeistert): Lieber den Tod als das Diensthaus... nicht in die Verbannung... sterben für Gott... sterben... * lieber sterben... (Der Posaunenruf der Herolde tont nun vongan^ nahe.) 118 Einer: Laßt sie rufen, idi h5re sie nicfat. Lassen wir uns nidit locken 1 Sterben wir mit Jemsaleml Der Älteste: Ich hake dich, Jerusalem, heilige Stadt. Lid>er in deine Erde versargt sein, als hingrJyji über andere Sdiol- le, lieber ein Toter mit meinen Vätern, denn ein Knecht unter Fremden. Jerusalem, Jerusalem, Jerusalem, nimm mich in deine Erde, mein Leben warst du, sei auch mein Tod! Zephanja: Ich scheide mich von dir. Ich will nicht sterbenl Zu viel der Toten habe ich gesehn in den Straßen, ihre Augen standen starr in den HhamcL der Stadt, ihre RUiste waren gekrampft in Israek Erde, aber es war kein Friede in ihrem Gesicht. Ich will leiden ohne Maß, aber idi will leben. Mögen sie mich hämmern in die Bergwerke, mögen sie mich schmieden in den Ring ihrer Rudersdiiffe, mögen sie mich verschneiden ihren Göttern und verstümmeln, jedes Glied in mir schreit noch um Leben 2u Gott. Jeden Tag will ich segnen aus Ketten und Qusd, oh, nur nicht tot sein, nicht tot seini Der Kranke (skb imfrkbtend) : Ja, nur leben, nur ein Sand- korn Zeit noch zwischen den Fingern fühlenl Nur noch sehn die kleinen Blüten der Mandeln, die sich weiß auftun über Nacht, und den Mond, wie er schmilzt und sich rundet unter den Sternen. Oh, nichts genießen mehr. Nur sein eigen Herz spüren, wie es schlägt und die Ader warm läuft an den ^ Händen! Leben, oh, leben, nur leben I Der Älteste: Schmach über euch, Weichlinge I Wollt ihr leben ohne Gott? Wollt ihr ihn rücklings lassen in Schutt und Schande? Ein Mann: Er geht mit uns, wie er ging durch die Wüste. Ein neues Haus wollen wir ihm bauen. Der Älteste: Dieses hat er gewählt. Hier ist er allein. Stimmen (im Widerstreit): Er wandert mit uns... überall spricht er zu uns. . . auch aus dem Golus wird er uns hören. . . auch dort werden wir gläubig sein... überall ist er... hier ist er allein. . . überall. . . allerorts ist er. . . er wird sich uns weisen 119 an jeder Stätte... nur im Tempel ist sein Haus... überall ist er... überall... nur hier ist sein Antlitz... Jeremias (plötzlich sieb aufrafftndy mit furcbtharem Ausbrach) : Nirgends ist erl Nirgends I Wer hat ihn gesehen von den Lebendigen, wer gehört seine Stimme? Nirgends ist er! Nirgends I Ins Leere starren, die ihn suchen, und die ihn bezeugten, sind Lügner geworden vor der Menschheit Ge- sicht. Nirgends ist Gott, in den Himmeln nicht und auf der Erde und in den Seelen der Menschen nicht! Nirgends, nirgends ist erl Der Alteste (gan:(^ erstarrt mit offenem Munde. Endlicb mit den Händen auß(uchnd ^um Himmel fahrend) : Lästenmgl Läste- rungl Fahre nieder auf ihn mit deinen Blitzenl Jeremias (immer heißer) : Wer hat ihn gelästert, wenn nicht er selbst? Zerbrochen hat er seinen Brmd, verleugnet seine Schwüre, zerschmissen seine Mauern und verbrannt sein eigen Haus. Er selbst verneinet sich, er selbst ist Gottes Lästerer, er, nur er! Der Alteste: Hört nicht auf ihn! Hört nicht auf ihnl Ein Abgefallener ist er, ein Ausgestoßener I Jeremias (immer mehr sich entv^ändend) : Wer hat ihm gedient wie ich in Israel, wer war sein Knecht so treuselig wie ich in Jerusalems Mauern? Ich habe mein Haus gelassen um seinetwillen im Hasse und meine Mutter im Tode, seinem Willen mich aufgetan wie ein Weib dem Manne. Ich habe meinen Rücken geboten, die mich schlugen, mein Angesicht verbarg ich nicht vor Hohn rmd Speichel. Und ich habe ge- dient, ich habe gedient, weil ich meinte, daß er wenden wer- de das Unheil durch mich; ich habe geflucht, weil ich meinte, er werde es zum Segen kehren I Aber Wahrheit habe ich gekündet, und nur er ward Lügner an seinem Wort. Wehe, wehe, daß ich so treu gedient dem Treulosen I Da meine Brüder lachten, hat er mich entsendet, daß ich speie auf ihre Freude, und nun, da sie sich ängstigen und sich winden im Krampf ihres Elends, will er, daß ich ihrer lache! Aber ich lache nicht, Gottl Ich lache nicht an meiner Brüder Qual, 120 ich lache nichtl Nicht yermag ich mich 2u freuen wie du an dem Jammer der Verschreckten, und der Erschkgenen Ge- ruch duftet mir nichtl Deine Härte ist mir 2u hart und 2u schwer deine Hand! Ich diene nicht mehr deiner rasenden Rache. Ich zerreiße den Bund zwischen dir und mir. Ich zerreiße ihnl Ich zerreiße ihnl Stimmen (durcheinander): Er ist rasend... er lästert Gott... fort von ihm... Gott wütet in ihm... Irrwitz hat ihn be- fallen. Jeremias (aber sie hinmeg^ in wilder Ekstase ins Leere sprechend) : So sprich doch, du finsterer Schweiger, sprich! Wie ich wider dich zeuge, zeug du wider michl Sag an. Ob je ich meinem Gelöbnis mich wehrte. Ob je ich gemüdet und aufbegehrte? So sprich doch, du finsterer Schweiger, sprich. Raff dich auf vor diesen und sprich wider michl Du hast mich gesucht und hast mich gefunden. Mit Ahnung verschreckt und mit Träumen entzünden. Und da meine Seele in Flammen stand. Als Feuerbrand wider mein Volk entsandt; Was wars als dein rasender Wille nur. Daß wie ein Feind ich wider sie fuhr? Ich war die Drossel, die sie umkrampfte. Der Huf, der ihren Frieden zerstampfte. Ich war die Säge, die sie zerkreischte. Der Stachel, der sie lebendig entfleischte. Ich war die Schrecknis, die sie erschreckte. Der Angsttraum, der sie allnächtens erweckte. Ich war der Zänker, der sie schmähte und schmälte. Der Henker, der sie zerpfahlte und quälte. Und war noch der Hohn, der dann sie verlachte - Oh, alles war ich, was dein Irrwitz mich machte. Denn fuhllos wie Feuer und dumpf wie ein Tier, So diente ich dirl So diente ich dirl Ich fühlte die Brüder, deren Seele mich suchte, 121 Und dochl Ich verschloß mich und fluchte und fluchte. Und ob auch mein Herz sich bäumte und schrie. Ich 2äumte es nieder und züchtigte sie. Stimmen: Im Fieber redet er... zu wem spricht er... er ist rasend... sein Hirn verbrennt... Irrwitz redet er... Jeremias: Aber ich sage mich iosi Ich tu nicht länger nach deinem Begehr, Ich rechte nicht mehr und knechte nicht mehr! Mein Herz ist nicht länger dir Heimstatt und Haus, Ich stürz dich aus deinen Himmeln hinaus! Wie du dein Volk, so hab ich dich verstoßen. Den harten Hasser, den Mitleidslosen, Denn ein Gott, der Hohn anstatt Hilfe gibt, Ist nicht wert mehr, daß man ihn kündet und liebt I Nur wer das Leiden wendet, ist Gott allein. Nur wer Trost ausspendet, darf Allmacht sein! Oh, ich weiß es, ich weiß es, nur der ist Prophet, Dessen Hand die ewige Liebe aussäet. Dessen Seele Flut ist von großem Erbarmen, Dessen Seele Glut ist von allem warmen Strömenden Blut, das unschuldig versprengt ist^ Und dessen Herz von unendlicher Liebe versengt isti Oh, und ich fühl es, ich fühl es, ich kann einer sein. Denn die Stimmen, die ungehört auf zu dir schrein, Sie schlagen wie Flammen in mich hinein! Mich ruft die Stadt, die du zürnend verbrannt hast. Mich ruft dein Volk, das du hassend verbannt hast. Mich rufen die Witwen, die du gezeugt hast. Mich rufen die Mütter, die du gebeugt hast. Mich ruft der König, den du geblendet, X Dein Altar, den du dir selber geschändet: Aus Grüften und Lüften sind klingende Boten Urmächtigen Leidens mir zugesendet. Die Lebenden rufen, mich rufen die Toten, Und mein Herz erhört sie - es hat sich gewendet: Gewendet von dir, der du hassend und hart bist 122 Und zum Götzenstein deines Stolzes erstarrt bist. Zu ihnen, den Schwestern, zu ihnen, den Brüdern, Die Leiden umkleiden, die Qualen emiedeml Und ich beug ihrem Leid mich, ihm beug ich die Knie - Denn ich hasse dich, Gott, und ich liebe nur siel Der Älteste: Er hat Gott verflucht... Schlagt ihn nieder... Stimmen: Er rast... er ist toll... Irrwitz ist seine Rede... Wachen Auges träumt er... es ist Gefahr, ihn zu hören... bringt ihn zum Schweigen... Jeremias (plötv^icbin die Knie brechend^ geg^ die andern gewandt) : Oh, meine Brüder, verzeiht mir, verzeiht. Verzeiht meiner ruchlosen Eitelkeit I Er, er nur hat mich mit Träumen verblendet. Mit Worten gelockt und mit Zeichen versucht. Daß ich meinte im Trotz meiner Eigensucht, Ich sei als ein Mahner gen euch gesendet. Ich meinte, daß ich der Große bin. Wenn seinen Namen ich wider euch reckte Und die Zähne mit seinen Flüchen ausbleckte, - Doch ich reiße mich los und verstoße ihnl Und ob ich hoflärtig an euch getan, Ihr Brüder, hört mich erbarmungsvoU an! Weil ich euch fluchte, erbost euch nicht. Weil er mich versuchte, verstoßt mich nicht. Zu euem Füßen werf ich mich hin. Fühlt, fühlt es, daß ich voll Buße binl (Die Männer und Frauen weichen entsetv^t v^urück.) Der Älteste: Tod über den, der ihn berührti Gott hat ihn gerichtet. Stimmen: Gottverfluchter... fort mit dir... fort... weg aus unr serer Mitte... fort... fort... Jeremias (v^unkkgestoßen^ mit einem dumpfen Aufschrei) : Aus- satz über michl Aussatz über mich und TodI (Br bricht in sich zusammen,) Stimmen: Man muß ihn hinausscha£Fen wie ein Aas... tötet ihn... schlagt ihn nieder... 123 Der Älteste: Rührt Um nicht anl Gottes Hand ist über ihm» und sie ist stärker denn die unsere. (Ein Pochen^ heftig und herrisch^ an der Türe,) Alle (durcheinander) : Die Herolde... die Chaldäer... es pocht wie die Hand eines Gebieters... es ist keiner der unsem... (Das Pochen^ heftiffr und eiliger.) Alle (dnrcheinambr) : Wie er drängt... er ist ungeduldig.. • man darf ihn nicht erzürnen... man muß auftun... er er- zürnt sonst. Der Älteste: Ich tue ihm auf. Sind wir denn des Todes nicht zu jeder Stunde? (Der Älteste öffnet t(aghaft einen Spalt der großen Türe. Sie wird hastig aufgestoßen und herein stHrz(t) B ARUCH (verstörten Gesichts) \ Brüder» ist Jeremias hier? Der Älteste: Daß er doch anderwärts wäre, im Schlund der Gehennal Hier liegt er, getroffen von Gottes Hand. Baruch (binstün^end) : Jeremias I Jeremias! Jeremias (sich atu seiner Hingesunkenheit langsam erhebend^ ganz fremd ihn anstarrend) : Wer sucht mich noch, wer versucht mich noch? Baruch: Meister, mein Meister, kennst du mein Antlitz nicht mehr, ward dir fremd meine Stimme? Jeremias: Ich will nichts schauen mehr und nichts hören. Weg du, der du noch Atem im Maule hasti IaB mich liegen und faulen I Baruch: Jeremias I Ich beschwöre dich, raffe dich auf, sie fahnden nach dir, sie sind nah, sie kommen! Jeremias: Mögen sie kommen. Selig die Schlächter, selig der Tod! Baruch (in Verzweiflung ihn aufrüttelnd): Jeremias! Jeremias! Wach auf aus deinem Traum! Furchtbar ist Nabukadnezars Zorn. Noch den Tod schärft er durch Qualen, und seine Knechte wissen zu martern wie keiner. Jeremias: Meinst du das, Knabe? Oh, du kennst Ihn nicht, den Fürchterlichen, der Qualen hat und Martern, die kein Irdischer weiß. Wes lebendige Seele in Gottes Marter ge- 124 fallen, der förchtet nidit mehr des Leibes Pein und die Schrecknis der Knechte. Mögen sie kommen. Denn ich habe die Gottesqual gekannt» and Seligkeit ist die Marter des Tods gegen die Marter des Lebens, eine Wfiuige, denn dürstig ward meine Seele des Todes. Tu au^ Baruchl Tu ihm auf, dem Erlöserl (Baruch schreitet ^gen die Tür^ ^ogert wieder ^ verhiält sein Ge- sicht und schiebt den Riegsl ^nr Seite. Die Türe wird mächtig mit ihren beiden Flügtln auf^stoßen. Die drei Abgesandten des Königs treten reich geschmOckt herein^ hinter ihnen steht feurige Helle des sinkenden Tages, Die Fluchtigen scheuen vor ihnen in die däm- m erigen Winkel V(urück^ nur feremias bleibt aufrecht ihnen gegen- Ober,) Dbr Gesandte (den beiden andern voraustretend) : Ist unter euch der, den sie Jeremias nennen, der Sohn Hilkias von Ana- thoth? Jeremias: Ich bin, den du suchst. Tu an mir nach deinem Geheiß. (Der Gesandte wirft sich seiner gaH:(en Län^ nach vor fere- mias nieder und berährt dreimal mit seinem Haupte die Erde, Die beiden anderen tun desgleichen,) (Jeremias tritt erschreckt einen Schritt v^urück,) Der Gesandte (sich aufrichtend)'. Gruß und Ehrfurcht dem 125 Deuter der Zeichen! Ehre und Ruhm dem Verkünder des Geschehens, dem Erschauer des Verhülltenl (Er migt sieb wieder dreimal v^ Erde^ dann steht er auf^ die bei- den andern folgen seinem Gehaben.) (Jeremias hat sich wieder gefaßt und sieht ihn finster an.) Der Gesandte: Gekündet ward Nabukadnezam, daß du der einzige warst deines Volkes, der Untergang kündete den Empörern und Schsmde den Schwätzern. Wie Blei sind ge- schmolzen die Worte der Priester, die wider seine Stärke sprachen, aber das deine der Warnung ward bewähret wie Gold. Nabukadnezar hat deinen Ruhm vernommen. Ein Gewand sendet er dir, wie es die Fürsten Chaldäas tragen, und du sollst der oberste seiner Diener sein an seinem Tisch« Jeremias: Ich diene keinem mehr im Himmel und auf Erden, seit ich Gott gedient und müde ward an ihm. Der Gesandte: Der Oberste sollst du seiner Magier werden, Schicksal sollst du ihm deuten und die Sterne zählen, die seine Jahre sind. Es soll keiner sein über dir, frei dein Aus- gang und Eingang in seinem Palast. Jeremias: Ich mag nicht eingehen in den Palast, des Stufen die Töchter meines Herren scheuem als Mägde. Ich mag nicht das Brot brechen bei Tische als jener Gesell, deren Hände den Vorhang von Gottes Verborgenheit rissen zu Zion. Ich mag Gunst nicht von dem Grausamen und die Gnade nicht von dem Gnadelosen, ich toA% sie nicht I Ich weigere mich ihml Ich weigere mich! >:^Der Gesandte: Noch nie ward Weigerung ihm geboten. ^ Jeremias (entbrennend) : Wer ist er, daß ich ihn fürchten scdl? Viele waren, die einst solch Stirnband trugen von Gold und sich Pharao nannten, imd ist doch keiner mehr, der ihnen nachfragte und einen Stift faßt, ihr Gedächtnis zu schreiben in die Bücher der Zeit. Wer ist Nabukadnezar unter den Sternen, daß ich ihn fürchten soll? Ist er ein Menschenwurm nicht, und wartet nicht Tod hinter seinem Schlaf und Fäul- nis in seinem Leibe? Meinst du, er halte schon, was er habe, und mag sich des Ausgangs berühmen inmitten des Wegs? 126 Der Gesandte: Ewig währet Nabukadnezars Macht, ewig hält er den Sieg. Jeremias: Hast du es gelesen im Buche des Schicksals, daß ihr Prahlen um ihn anhebt, und kennet er sein Los, daß er sich erfrechet? Ich aber, Jeremias, sage dir: Gebrochen ist der Stab über Nabukadnezar und zerrissen das Kleid seiner Macht. Tief hat er Israel geknechtet, aber siebenmal tiefer wird er geknechtet werden. Schon keimet sein Sturz, und seine Stunde, sie ist nah, sie ist da, schon erstanden ist der Rächer für Israel, erstanden der Rächer für Jerusaleml (Die Gesandten haben sieb scheu vor dem Ausbruch geflächtet und halten die Hände abwehrend vor sich.) Der Älteste (in Ekstase) : Erhöre ihn, Herrl Erhöre ihn! Mache wahr seine Rede, mache wahr seine Zunge I Sei du, der es sendet, sein WortI Einige der Frauen und Männer (haben sich aus dem Dunhl gewagt ftnd um ihn ^sammelt. Flehentlich) : Erhöre ihn, erhöre ihn, Gott Zebaothl Erhöre ihnl Jeremias: Schon ist er wach, der Rächer, er ist wach, denn der Herr des Tempels hat ihn erweckt und mit Stärke ge- schienet I Setze nur Wächter auf die Türme, daß sie warnen, rüste geharnischte Männer, daß sie ihm wehren, schärfe die Speere; doch sowenig du die Wolke kannst scheuchen am Himmel mit deinem Hauche, kannst du scheuchen seinen Sturm, denn als ein Rächer kommt er gefahren, und ein Segen ist auf seinem trunkenen Schwert. Der Älteste (ekstatisch) : So lasse es geschehen, Gottl Lasse es geschehen! Die ANDER^a (um ihn haben sich gesammelt^ auch sie ergreift die Begeisterung)'. Stürze nieder auf sie, wie er gesprochen... erfülle, erfülle sein Wort... fälle Babel, wie er gekündet... erhöre ihn, Gott... erhöre ihn... (Die Gesandten weichen verstört t(um Ausgange.) Jeremias (in einem wilden Gemenge vonjtibel und Ekstase) : Oh, du Irrwitziger der Irrwitzigen, hast du wahrhaft gemeint, uns zu knechten, hast du gemeint, Gott vergäße unser, 127 Gott vergäße Jerusalem? Sind wir denn sein Kind nicht vmd seines Namens Vermächtnis, seine Erstgeburt und Erbe, ist sein Geist nicht auf uns und sein Segen auf Abrahams Scheitel? Was seine linke genommen, wird die Rechte uns heimgeben tausendfach, denn, ihr Brüder, ihr Brüder, eher mögen Berge 8tür2en und verdunkeln des Himmek Gezelt, als daß Gott vergäße Israel, daß er versäumte Jerusalem I (Die Gesandten sind mit rathsen Gebärden entschwunden.) Der Älteste und om Andern (umdrängen Jeremias von nah und begleiten seine Rede mit hymnischem Zuruf) : Segen auf dein Wort... Segen über dein Haupt... Segen auf dein Wort... Segen über dichl Jeremias (immer jauchzender ^ ohne ihrer t(u achten) : Oh, wie dun- kel doch waren die Tage der Erde, da dräuend die Brauen Gottes sich ballten. Aber, meine Brüder, seines Ingdnuns Ende war seiner Liebe Anfang schon. Er wirft die Blitze aus den Händen, er heißt seine Donner schweigen, und im sanf- ten Säuseln klingt seine Stimme. Oh, sie klingt, sie hebt an, mildiglich hebt sie an, und sie wird sprechen 2u ihrer Stunde : Stehe auf, Jerusalem, Stehe auf, du Gekränkte, Und fürchte dich nicht. Denn ich erbarmte mich dein. Ich habe dir gezümet Und dich einen kleinen Augenblick verlassen. Aber nicht immerdar will ich mit dir hadern. Und ich zürne nicht ewiglich. Und darum, daß du die Verlassene gewesen bist Und die Verstoßene einen Tag, Sollst du die Prächtige sein für und für Und die Erhobene in aller Ewigkeit. Mein Antlitz hat sich dir zugewendet. Und mein Segen ist deinem Scheitel gesenkt So stehe auf, Jerusalem, Stehe auf. Denn ich hab dich erlöset! 128 Der Älteste: Segen übet dein Wort und Eiföllungl Die Andern: Erhöre ihn, Gott... tue nach seinen Worten... erhöre uns... erlöse Jerusalem... erlöse Jerusalem... Jbremias: Und siehe, sie ist aufgestanden, die Verstörte, und es löset der Herr die Fesseln ihres Halses und das Joch ihrem Nacken. Er hebt auf die Geknickte von den Knien, die Witwe und Waise erkürt er 2ur Braut. Und es lächelt die Gekrankte, es blüht die Verdorrte, es wird fruchtbar die Verschlossene und verlangt ihrer Söhne, daß sie möchten sie schauen in ihrem Glücke und frohlocken ihrer Emeuung. Aber schon haben Israels Kinder vernommen den Ruf des Herrn, und soweit sie verstoßen, von den Enden der Erde und den Eilanden des Meeres kommen sie heimgezogen. Von Morgen und Mittag, von Abend und Mittemacht, selige Pilger kommen sie gezogen. Und es glänzet Jerusalem, es jubelt Zions Tochter, da sie schauet ihre Kinder,, zahllos gekommen aus den Kerkern der Verbannung, es blühet die Verdorrte, es glänzt die Verdunkelte, es jauchzt die Ver- stummte, auferstanden ist die Versargte, sie ist auferstanden! Die Andern: Oh, lasse es geschehen, wie er kündet, Herr... tue also, wie er gesagt... Friede über Israel... lasse auf- erstehen Jerusalem... laß uns auferstehen... laß uns aufer- stehen... Jeremias: Und des Tags, da wir wieder um Zion uns scharen. Die wir so lange die klagenden Knechte Im düsteren Zinshaus der Fremde waren. Da werden wir gläubig zusammentreten. Da werden wir sprechen, da werden wir beten: „Gesegnet seist du, Herr Zebaoth, Der du groß und gnädig an uns hast getan! An den Wassern von Babel saßen wir bangend Und brachen der Knechtschaft bitteres Brot, Wir mengten mit Tränen den Wein in den Krügen, Denn unsere Seele war heimverlangend Und unsere Dienstschaft ein täglicher Tod. Da riefen wir heiß, wir riefen aus Tiefen 9 129 Des brennenden Sehnens dich» Gütigen, an, I Wir riefen dich an, und es war nicht vergebens. Denn du hast unsere Fessehi, die harten, gesprengt. Mit dem Tau deiner Güte, mit den Wassern des Lebens Den Brand unserer dürstigen Seelen getränkt. Du hast unsere Ho£Gtiung, die schon versiegte. Mit dem heiligen Stab deines Namens berührt. Du hast die Verirrten, du hast uns Besiegte Aus der Tiefe geholt und uns heimgeführt Oh, seht Es, ihr Berge, oh, seht es, ihr Lande, Wir sind heimgekehrt, wir sind auferstanden 1 Oh, beugt euch, ihr Berge, oh, beugt euch, ihr Hügd, Oh, Ströme, rauscht auf in unser Gebet, Umgrünt uns, ihr Felder, empfanget, ihr Gärten Mit Blütenfackeln die Heimgekehrten! Bekränzt uns, ihr Wälder, mit jubelndem Ton, Streu Rosen uns, -Saron, zum andern Male, Umschatte uns, Karmel imd Libanon, Wir sind heimgekehrt, wir sind heimgekehrt! Und du. Du selige Stadt, geliebt und verloren. Im Wachen erträumt, in Träumen beschworen. Du Braut unsrer Liebe, du Mutter uns allen. Mit Zimbeln erfüll dich und Flötengetön, Wach auf und laß deinen Jubel erschallen. Denn heimgekehrt sind wir, Jerusalem!'* Die Andern (ihn jamk(end umdränffnd^ Z(u seitun Füßen bin- stürv(endy seine Knie umfassend in wilder Hinffrissenbeit) : Hein^ gekehrt... auferstanden... oh, Verheißung... Jerusalem... Jerusalem... Baruch (v;u seinen Knien) : Oh, mein Meister, mein Lehrer, wie ist deine Lehre süß meinem Herzen, wie selig deine Erleuch- tung! Eine Frau: Sein Antlitz seht, wie es leuchtet! Wie zwei Sterne glühn die Augen ihm auf und hellen den Raum. 130 BiKE Andere: Gottes Geist bat sich auf ihn gesenktl Der Kranke: Aufgerichtet bat mich sein Wort... ich lebe, ich lebe wieder... Jeremias (ohne sie v(u bSren^ gam^ allmäblicb am seiner Ekstase erwachend tmd erschreckt um sich blickend) : Wo sind sie hin, zu denen ich sprach? Wo sind sie hin?... Waren nicht Boten da des Königs Nabukadnezar? Habe ich geträumet... mir dünkte, drei Männer kamen und redeten... prächtig waren sie gewandet... wo sind sie hin... Der Älteste: Der Blitz deines Blickes bat sie gescheucht Andere: Deine Worte haben sie gejagt... wie ein Schwert fuhr dein Zorn über sie. Jeremias (immer verwirrter) : Was habe ich gesagt? Oh, und warum, warum blickt ihr mit einmal auf zu mir wie die Durstigen... was seid ihr geschart um mich... es war doch Dunkel auf euren Stirnen, und nun glänzt ihr mich an mit den Blicken... Was ist geschehen mit mir, was ist ge- schehen mit euch? Ein Mann: Auf getan hast du mir die Seele, du Guter 1 Ein Weib: Mein Herz mir mit Manna gespeist. Stimmen: Oh, wie süß waren deine Worte, du Lieber... ge- nesen sind wir an deiner Verheißung... mm ist die Fremde nicht mehr Bitternis... heimkehren werden wir, oh, seliges Wort... Jeremias: Ihr Lieben, ihr Lieben, was ihr sprechet, ist es wahr? Von meiner Lippe ist Tröstung gekommen! Ein Weib: Oh, wie es dir sagen! Uns alle, uns alle sieh, du Gebenedeiter, beseligte dein Wort! Der Kranke: Seht her... seht her... ich schreite, ich gehe.*, ich spüre die Qualen nicht mehr... ein Wimder hast du an mir getan. Das Weib: Seht ihn an... er lag, vom Fieber zerfressen... ich bezeuge es, ich bezeuge es... ein Wunder hat er an ihm getan... Stimmen (ekstatisch): Ein Wunder... ein Wunder wie Elia... ein Wunder hat er getan!... 131 Jerbmias (bat sub atffgfrubtet vor ibtun^ gofp^ Irise) : Schweiget» I ihr Brüder. . . nicht rühmet mich. . • Wohl ist ein Wunder ge- schehen, doch nicht ich habe es vollbracht - an mir, ihr Brüder, ist es geschehen. Ich habe gefluchet meinem Gotte und ihn getötet in meiner Seele. Doch, meine Brüder, meine Brüder, ehe der Atem noch kalt war in meinem Munde, ist er mir auferstanden. Er riß mir das Her2 aus dem Leibe, daß ich meinte, zu vergehen vor seinem grimmigen Stoß, aber ein steinernes Herz war es, das er von mir riß, und ein fleischernes hat er mir nun eingetan, daß ich fühle alles Leir den und sJles Leidens Sinn. Ich habe Gott gefluchet, und er hat mich gesegnet, ich wollte ihm entweichen, und er hat mich erreichet. ^ Der Älteste (ekstatiscb) : Jeremias... oh, Jeremias... uns allen möge er tuen wie dirl Jeremias: Oh, daß ich so spät ihn erkannte, so spät euch fand, meine Brüder! Doch ich will nicht klagen mehr. Ich will nur mehr danken, ich will nicht fluchen mehr, ich will nur mehr segnen. Nimm, Erde, du geschmähte, gütig meine de- mütigen Knie; nimm, Gott, du verkannter, gnädig mein gläubiges Wortl (Er kniet nieder $mi spricht wie ein Gebet) : Ich danke dir, Herr, daß du so lind mir begegnet. Als ich mich wehrte imd von dir gekehrt. Ich hab dir geflucht, und du hast mich gesegnet. So segn ich, solang mir mein Leben währt. Ich segne dich, daß du das würzige Brot Des Wortes in meine Lippen getan. Damit ich dich preise in Leben imd Tod, Ich segne dich, daß du mir wecktest den Geist, Der die Welten mit Liebe durchgütet und speist. Ich segne dich, daß du so hart mich gefiißt ' Und im Zorn vor dein Antlitz getrieben hast. Und ich segne dich, Gottes Gabe, dich Leid, Daß du läuternd die Seelen der Menschen durchdringst Und flanmiend mit deiner Allfältigkeit 132 Ihre Einsamkeit einst, ihre Fremde bezwingst. Und ich segne dich, Gott, der es im Sturm uns gesendet. Der du mit Qualen beginnst und mit Seligkeit endest. Der die Suchenden fuhrt und die Fliehenden findet. Dem jeder entweicht und dem sich keiner entwindet. Selig, der sich an dich verloren. Selig, den du dir auserkoren. Selig der Himmel, der dich rauschend umstellt. Selig dein lauschender Spiegel, die Welt, Selig die Sterne, die sie strahlend umschweben. Selig der Tod und selig das Leben I Baruch (attfdie Knie ^ dem Kmenden stürmend) : Jeremias, mein Meister, Jeremias I Nicht uns allein lasse leuchten dein Wort. Auf dem Markte harret das Volk. Meister, mein Meister, gib ihnen Leben, gib ihnen Gott zurück I Richte auf die Ver- zagten und die Durstigen tränke mit den Wassern des Lebens I Der Älteste: Ja, richte auf der Wankenden Knie! Stimme: Auf... zu den Brüdern... gib ihnen Trost, wie du uns gegeben... Jeremias (sich a$tfrichtend) i Wohlan, meine Brüder, führet mich zu ihnen I Der Getröstete Gottes bin ich gewesen, nunab will ich ein Tröster seini Laßt uns gehen zu den Brüdern, den verzagten, daß wir den Tempel in ihren Herzen aufrichten, it1C« ,c^o.«*^^^' 300ct5 1 D H SEP iO 1956 REC'D LD ^ECEIVED LoAN DEPT^ ^'^f>f ^y^ys SEP 10 1956 JAN 21 1952 7SJas\ 52t\i -^Kpt 6^tJf JUL2 9 1976 1 tec ciR. juL 1 5 Te MAY Z 5 196Z JAN 21 1969 95 LD 21-95m-ll/50 (2877816)476 II I